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Die kalte Koenigin

Die kalte Koenigin

Titel: Die kalte Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Clegg
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verwandelt hatten.
    Da gab es einen opalisierenden Knochenkasten, in dem sie eine schmierige Salbe aufbewahrten, die aus Fett, das aus den Leichnamen erhängter Menschen stammte, gekocht worden war. Damit würden die Frauen ihre Körper einreiben, um die Inbesitznahme durch die Toten zu erleichtern. In ihrer Nähe lagen kleine Zangen, mit denen der Geist aus dem Fleisch gezogen werden konnte, falls er sich weigerte, den Leib zu verlassen, nachdem der Trancezustand vorüber war. Und in der Mitte befand sich ein merkwürdiges metallenes Gerät, mit dem der Geist eines Leichnams im Körper ausfindig gemacht und durch den Gebrauch der gekrümmten und geschärften Klinge
in seiner Mitte aus seinen Dämpfen gelockt werden konnte. Ein paar der Frauen hatten damit begonnen, ihre Finger in den Knochenkasten zu tauchen und ihn herumzureichen. Andere gurrten und machten auf ihre schwache und beängstigende Art und Weise »Ah«, während sie die Halsringe, Ringe und Armbänder erblickten, die die Fremde in den Falten ihrer Lumpen versteckt gehalten hatte. »Ihr seid eine Räuberin oder eine Hure«, meinte eine von ihnen, und ihre Augen glänzten, während sie mit dem Zählen der Münzen beschäftigt war.
    »Ich wusste, dass Euer Preis hoch sein würde, und ich weiß, dass auch die Toten eine Bezahlung wünschen«, entgegnete der Aschling. Ich fing an, ein Gefühl zu empfinden, als wäre der Aschling in seinem Inneren meiner gewahr geworden – als wenn er sich nämlich bewusst geworden wäre, dass ich das Geschehen aus seinem Leib heraus beobachtete. Denn es schien mir, dass die junge Frau langsamer sprach und dann und wann beim Sprechen sogar stockte.
    Godwaina blickte den Aschling an und schüttelte den Kopf, während sie sich die Wangen mit dem Fett aus dem Knochenkasten einrieb, bis sie glänzten. Sie beugte sich zu der anderen Frau hinüber und flüsterte: »Wenn es um den Preis geht, dürfen die Toten nicht bezahlt werden. Die Toten dürfen nicht gefüttert werden. Sie hungern, und der Hunger darf nicht befriedigt werden.«
    Die Chymers sprachen mit gedämpfter Stimme über Dinge, die sie am meisten aufregten – die Moms, die die Stadtmauern bewachten, die Berichte über eine neue Plage, die sich in den südlichen Ländern ausbreitete, und über den harten Winter, der vor der Tür stand.
    Godwaina hatte das Haupt des toten Mannes aus dem Sack
gezogen. »Oh, ich fürchte, er ist bereits zu lange tot«, stieß sie hervor und roch daran. »Zwölf Tage? Vierzehn? Gewiss ist die Seele geflohen.«
    »Ihr sprecht doch auch mit denen, die bereits seit vielen Jahrhunderten tot sind«, erwiderte der Aschling.
    Celestria, deren Schleier ihr über die Kopfhaut herabhing und so dünne Strähnen rötlicher Haare enthüllte, klatschte plötzlich in die Hände. »Schwestern, wir werden uns um diesen Unglücklichen bemühen. Wir werden seinen Geist heraufbeschwören, und wenn die Seele sich versteckt hält, dann werden wir ihn finden.«
    Während sie ihn weiterreichten, küsste jede Schwester den Kopf auf Ohr, Wange oder Lippen. Eine primitive Sorte Ale, die nach Fisch und Mehl stank, wurde dem Toten aus einem Topf in den Mund gegossen. Jede Schwester trank ebenfalls davon. Auch den Aschling ermutigten sie dazu, von der stinkenden Mischung zu nippen. Dann holten sie eine kleine weiße Tonschüssel hervor, die mit dem »Aalschwanzkraut, den Geistern heilig«, wie eine der Frauen sagte, gefüllt war. Mit einer Kerze wurde das Kraut angezündet, so dass es sich in eine leuchtend blaue Flamme verwandelte. »Aalschwanz wächst wild in unterirdischen Bächen. Es muss von jungen Jungfrauen gesammelt und dann mit großem Feingefühl mehrere Monate lang über dem Feuer getrocknet werden. Es ist sehr rar, und nur wenige finden es, denn die Weißen Roben beanspruchen den größten Teil davon für ihre eigenen Zeremonien«, teilte Godwaina dem Aschling mit, als wollte sie ihn beeindrucken. »Sein Duft erweckt die Handlanger des Todes.«
    Jede der Schwestern nahm die Tonschüssel mit dem schwelenden Kraut in die hohle Hand und gab sie darauf der jeweils
nächsten. Wenn eine allerdings zu gierig war, riss es ihr die Schwester schnell aus den Fingern, indem sie die andere mit barschen Worten bedachte.
    »Die Toten lieben das Kraut«, sagte Godwaina zu dem Aschling, indem sie ihre Nase nahe an die rauchende Schüssel hielt. »Es zieht sie aus dem Schädel.«
    »Die Seele lebt nach dem Tode im Schädel«, erklärte eine weitere Schwester und zerrte an der

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