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Die kalte Koenigin

Die kalte Koenigin

Titel: Die kalte Koenigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Clegg
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die Visionen verstand, die er mir sandte, noch die Tatsache, dass er einen großen Teil der Zeit in mir schwieg.
    Ich sah eine Vision, die mich in den Nächten heimsuchte und die ich nicht aus meinen Gedanken tilgen konnte. Schon zuvor hatte ich sie erlebt, als Pythia ihre Lippen auf die meinen gedrückt hatte, als ich nämlich den Heiligen Kuss erhalten hatte, um den vampyrischen Tod im Leben zu übertragen.
    Ich hatte den Priester des Blutes gesehen, Merod, mit dem Stab der Nahhashim in der Hand.
    Hinter ihm stand ein Altar – ein steinerner Tisch von der Größe eines Königsbettes.
    Da war eine Vampyrin zu sehen, deren Gesicht von einer erschreckenden Goldmaske verdeckt war.
    Auf der Maske war das Gesicht von Datbathani zu sehen, in deren Haar Schlangen geflochten waren. Es war die Schlangengöttin, die von unserem Stamm die »Herrin der Schlangen« genannt wird.
    In meinen Träumen veränderten sich die Gesichter.
    Manchmal trug Merod die Goldmaske, die gleiche, die ich in dem Plagentraum auf der Scheibe gesehen hatte.
    Manchmal trug auch Pythia die Maske.
    In jeder dieser Visionen sagte Merod die gleichen Worte zu mir, wieder und wieder. »Unsterblichkeit ist kein Geschenk«, sprach er. »Es handelt sich dabei um eine heilige Verpflichtung, selbst der Beute gegenüber.«
    Ich versuchte ihn zu fragen: Worin besteht die Verpflichtung? Sage mir, was ich tun soll. Sage mir, was getan werden muss, und erkläre mir diese Vision von der Goldmaske, dem Altar und dem Stab der Nahhashim – denn ich begriff noch nichts von alledem.
    Manchmal stand ich in meinem Wachtraum neben dem Opferaltar und war selbst derjenige, der die Maske trug. Durch ihre Augenöffnungen konnte ich die Myrrydanai erkennen, deren Schatten herumwirbelten, als sie sich mir näherten. »Wir sehen dich, Maz-Sherah«, flüsterten sie, und ihre Stimmen klangen wie das Geräusch von Schlangen, die durch trockenes Laub gleiten. »Wir kennen dich. Du hast uns den Stab
der Nahhashim gegeben, obwohl ihr, du und deine Schakale, seine Geheimnisse nicht entschlüsselt habt. Bring uns die goldene Maske der Herrin der Schlangen. Sie wurde uns von jemandem, der ihren Stamm verließ, gestohlen. Dein Freund wird leben, und ihr beide werdet frei sein. Wenn du nach uns rufst, Maz-Sherah, so werden wir dich hören und wissen, dass du willens bist, uns dieses Geschenk darzubringen. Wenn du uns anrufst und Medhya huldigst, der deine Priester Fleisch und Blut sowie die Geheimnisse der Blume stahlen, welche ihr heilig ist, dann wirst du damit deinen Freund, den du liebst, retten.«
     
    Ich hielt meine Augen gewaltsam geöffnet, um so lange wach zu bleiben, wie es mir nur möglich war.
    Ewen war bereits eingeschlummert. Sein Kopf war gegen meine Ellbogenbeuge gelehnt, sein Gesicht von meinem Blut befleckt. Er sah friedlich aus. Trotz der Trockenheit seiner Haut, der Tatsache, dass sein Haar zu lang gewachsen war und des Umstandes, dass sich seine Kniehosen und sein Kittel bereits vor langer Zeit in Lumpen verwandelt hatten, konnte ich doch die Schönheit derjenigen unserer Art in ihm erkennen. Und ich genoss den Geschmack seines Blutes, den ich noch immer auf meiner Zunge kosten konnte, sowie die Berührung seines Halses an meiner Haut.
    Ich weckte ihn nicht, selbst als ich spürte, wie die Fremde in unsere Höhle herabstieg. Mir blieben nur noch wenige Augenblicke, bevor mich der Schlaf des Tages in seine Dunkelheit ziehen würde.
    Mein erster Gedanke beschäftigte sich damit, dass es wohl zwei Menschen sein mussten – einer, der das Seil befestigte, und einer, der daran herabstieg. Vielleicht stand ein Dutzend
Leute um den Brunnen herum, vielleicht aber auch nur ein einziger Mensch. Doch es musste wenigstens eine andere Person geben, deren Aufgabe es war, diesem Eindringling zu helfen, aus dem Brunnen wieder hinauszugelangen. Meine Gedanken begannen angesichts dieser Tatsache zu rasen, denn wäre ich im Besitz dieses Seiles, so konnte ich möglicherweise entkommen. Vielleicht konnten Ewen und ich diesen Eindringling angreifen und das Seil in die Freiheit erklimmen.
    Doch was erwartete uns dort oben? Die sengende Sonne und unsere eigene Vernichtung.
    Zu diesem Zeitpunkt verfügte ich über die Kraft eines alten Mannes – ich besaß keine Kraftreserven, um zu kämpfen, nicht einmal genügend davon, um ein sterbliches Kind zu überwältigen. Elf Jahre, in denen wir ausschließlich unser eigenes Blut getrunken hatten, hatten dazu geführt.
    Ich roch sie sogleich, als sie

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