Die kalte Koenigin
sie und zog sie in seine Arme. Seine Flügel breiteten sich zu ihrer vollen Größe aus, als sie beide in die Luft aufstiegen. Ihr Kopf fiel nach hinten, ihre Flechten lösten sich, so dass ihr Haar ungehindert nach unten wallte. Midias schlug langsam mit den Flügeln, so dass er direkt über dem Feuerring in der Luft schwebte und aus dem Aderlass der Jungfrau ein richtiges Schauspiel für die Menschenmenge machen konnte, ebenso wie für die Adligen in ihrem Pavillon.
»Nein!«, schrie ich und spürte, wie meine Flügel den Wind aufnahmen, der aus dem Norden hergeweht war, den Rauch auflöste und die Richtung der Fackelflammen veränderte, die an den Mauern der Arena entlang aufgereiht waren.
Kaum vernahm ich die Schreie, die von den Sitzen aufstiegen,
als ich Midias am Flügel packte und ihn zurückriss. Er wirbelte herum, wobei er die Jungfrau beinahe fallen ließ, die aufschrie und ihn ins Gesicht schlug. Er hatte sie bereits in die Schulter gebissen, und Blut tropfte ihren Rücken hinab. Dann ließ er sie fallen. Ich tauchte unter ihn, um sie vor dem Absturz zu bewahren, aber es gelang mir nicht. Sie schlug auf dem Boden auf und hielt sich die Flanken, als wären ihre Rippen gebrochen. Midias verfolgte mich, wir lieferten uns einen Kampf in der Luft. Wie fliegende Wölfe gingen wir mit Zähnen und Klauen aufeinander los. Er zerriss meine Schulter mit den Zähnen, ein glühender Schmerz schoss mir durch den Körper. Dennoch ließ ich nicht von seinen Flügeln ab, da sie für jeden Vampyr den Schwachpunkt darstellten. Schließlich brach ich bei einem von ihnen hinten die Spitze ab, und dies reichte aus, um ihn abstürzen zu lassen. Er kam in einer kauernden Haltung außerhalb des Feuerringes auf dem Boden auf. Ich landete neben ihm und zerrte ihn an der Kopfhaut hoch. Nun war mein Zorn voll entflammt, so dass ich ihn durch die Arena schleuderte. Als er gegen die Mauer krachte, erhob er sich nicht, sondern blieb liegen und beobachtete mich.
Ich begab mich zu ihm und beugte mich über ihn, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern. »Wir sind nicht für ihre Unterhaltung zuständig. Du bist der Sohn der Großen Schlange. Du bist ein Nachkomme der Priester des Blutes und der Nahhashim sowie der gestohlenen Unsterblichkeit der Medhya. Es ist der Atem der Götter in deinem Inneren, der dir ewiges Leben verleiht. Also ist es besser, ausgelöscht zu werden, als das Leben einer Sterblichen zu nehmen, die Sklavin dieses Volkes ist. Diejenigen, die uns nun zusehen, würden mit Freuden erblicken, wie ein Knabe von vierzehn Jahren unsere Eingeweide
aufschlitzt und sie auf dem Sand verstreut. Und du würdest ihnen dieses Vergnügen bereiten.«
»Du bist dumm«, knurrte er. »Dumm. Sie ist doch schon tot. Sie« – er deutete nach oben, in Richtung der Mauern, die uns umgaben – »sie haben ihren Tod angeordnet. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie heute Nacht bei dem Spiel stirbt oder morgen Nacht auf dem Scheiterhaufen. Sie hatte Glück, dass du bis zu ihr gelangt bist, denn der Tod durch unsere Lippen ist besser als die Feuerzungen, die in den Illuminationsnächten an ihr lecken werden.«
»Ist das wahr?« Es verschlug mir den Atem.
Ich bot ihm meine Hand. Er nahm sie, indem er nach meinem Unterarm griff und so sein Vertrauen zu mir bewies. Ich deutete auf Ewen, der auf dem Boden zusammengebrochen war. »Geh und hilf ihm. Jetzt gleich.«
Als ich dann zu dem Opfer zurückkehrte, schlang es seine Arme um meine Beine. »Bitte, rette mich. Bitte, rette mich«, schluchzte die junge Frau an meinen Knöcheln. »Sie werden mich töten. Sie werden mich töten, ob du nun von mir trinkst oder nicht. Bitte, trinke von mir, und wenn ich mit deinem Mal an meinem Körper sterbe, dann werde ich vielleicht von den Toten zurückkommen, so wie du es einst tatest.«
Ich kauerte mich neben sie und fragte: »Gibt es denn keine Möglichkeit für dich zu entkommen?«
»Es gibt keine«, antwortete sie. Sie sprach so schnell, dass ich nicht alles erfasste, was sie mir erzählte. »Mein Onkel... hingerichtet... Sein Sohn verurteilte mich zum Tode... unsere gesamte Familie. Meine Mutter... meine Schwestern... als Hexen verbrannt, aber sie praktizierten keine solche Zauberei.« Als sie mir die Litanei ihrer Verbrechen vortrug, erinnerte
ich mich an meine eigene Mutter, die, auf dem Anzündholz festgebunden, vor einer Menschenmenge in Brand gesteckt wurde, die ebenso den entsetzlichen Tod dieser Jungfrau hätte bejubeln können.
»Was würdest du tun,
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