Die kalte Koenigin
es genießen würde, ihnen die Kehlen aufzureißen! Wie ich es genießen würde, Enora zu nehmen und sie bis zur Schwelle des Todes ausbluten zu lassen, bevor ich ihren Kadaver über die Stadtmauern werfen würde!
Wo bist du, Merod? Wo ist dein Maz-Sherah? Warum gibst du mir keine Kraft? Denn ich habe dich in meinen Leib geholt, und du
strömst durch mein Blut, aber du schweigst, während unser Stamm vernichtet wird. Wo bleibt jener große Krieg der Vampyre, der uns doch bevorsteht? Die Welt hier wird kalt, und dennoch bringt mir die Große Schlange keine Wärme.
Nach einer Weile begannen die Schläge, die auf meinen Rücken niederprasselten, sich taub anzufühlen, und ich hatte das Gefühl, als hätte ich sie dort schon immer gespürt, als wäre ich schon immer ausgepeitscht worden, als hätte ich schon immer diesen Schmerz empfunden.
Als zwei Stunden vergangen waren, wurde ich in den Schmutz gezogen und Enora zu Füßen gelegt.
Sie zog die Kette zwischen uns straff und näherte sich mit ihrem Gesicht dem meinen. »Nun magst du deine Belohnung erhalten, Dämon. Du hast mir heute Nacht Vergnügen bereitet. Ich werde dir Vergnügungen senden, bevor der Tag anbricht.«
Ich warf einen Blick zu Ewen hinüber, auch wenn ich ihn kaum erkennen konnte. Er lag so reglos auf dem Boden, als wäre er tot.
Die Chymerwölfe versammelten sich um mich und schnüf felten an dem Blut auf meinem Rücken.
Wachen kamen mit ihren Knüppeln und Schwertern herbei. Sie legten mich in Ketten und verbanden mir die Augen. Dann zerrten sie mich durch den Dreck, in die Keller unter der Arena, durch enge Gänge hindurch in die Eingeweide der Stadt, wo Wasser von der Steindecke heruntertropfte und wo der Geruch nach Abwasser und glühendem Metall die Luft erfüllte. Die ganze Zeit über schien mir mein physischer Schmerz nur noch unbedeutend.
Ich verspürte aber einen Schmerz, der tiefer ging, als dass er nur das Fleisch betroffen hätte.
Meine Wächter brachten die Belohnung, die die Baronin als eines Siegers würdig erachtet hatte. Ich erblickte meine Gewinne, als mir die Augenbinde vom Gesicht gezogen wurde.
Drei Huren, deren Leiber unter Umhängen verborgen waren, betraten die kleine Kammer, in der ich an einen Stuhl gefesselt war. Über mir klaffte ein großes, rundes Loch in dem gewölbten Dach. Durch dieses spähten Leute hindurch und spuckten auf mich herab. Noch immer nannten sie mich »Sieger«, obwohl die Steine hinter meinem Rücken von meinem Blut nass waren.
Ich lag dort und litt große Schmerzen. Meine Wunden heilten allmählich, vielleicht schneller, als es die der Sterblichen getan hätten, für einen von meiner Art aber langsam.
Die erste Dime ließ das Tuch, das ihre Gestalt verhüllt hatte, zu Boden fallen und enthüllte einen hübschen Körper. Dabei tanzte sie zu einer Musik, die in dem Türeingang meiner Zelle von einem Knaben mit einem Dudelsack und einem alten Mann gespielt wurde, der zu ihren Bewegungen die Trommel schlug. Sie wand sich und stieß mit ihren Hüften in die Luft, während sie auf mich zukam. Ich empfand kein Vergnügen dabei, obgleich sie ihren Leib nahe an den meinen brachte. Dann gesellte sich die zweite Hure zu ihr. Eine von ihnen nahm die Position eines Mannes ein und begann die andere, die ihren Blick dabei auf mich gerichtet hielt, zu lecken und zu liebkosen. Da bemerkte ich, dass auf den Körpern der beiden Frauen Plagenmale zu erkennen waren, von denen viele durch Tätowierungen und Schmuck verdeckt waren – aber ich bemerkte ihre Entehrung und ihre Krankheit.
Ich verspürte nicht einmal das Bedürfnis, ihr Blut zu trinken, da ich das Gefühl hatte, diese Frauen hätten das schlimmste Los dieser Stadt.
Die dritte Hure hatte die Kapuze ihres Umhangs noch immer tief ins Gesicht gezogen. Der Dudelsack und die Trommel spielten weiterhin eine betörende Melodie, bei der es sich um eine alte Weise zu handeln schien, die ich als Knabe gehört hatte. Währenddessen kam diese dritte Dirne auf mich zu, und als sie mir nahe genug war, flüsterte sie mir ins Ohr: »Es gibt einen Weg nach draußen.«
Sie zog die Kapuze herab.
Es war Calyx, der Aschling, die Verschleierte.
Wenngleich ihr Gesicht durch Missbildungen gezeichnet war, so glühte doch das Feuer unter ihrer Haut gelb und rot, und ihr Gesicht schien sich zu verändern und neu zu formen, als wäre es geschmolzen. Ihr Haar fiel über die eine Hälfte ihres Gesichtes und verbarg so ihr linkes Auge und ihre linke Wange, während die
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