Die kalte Koenigin
von deinen eigenen Begierden geblendet. Ich strebe nach dem Wissen der Götter höchstpersönlich. Du bist unsterblich. Ich kenne die Prophezeiung über den Maz-Sherah, kleiner Falke. Ich las die Worte des Blutes vor Jahrhunderten – Pythia selbst besaß sie, denn sie hatte sich an die Instruktionen ihres Vaters gehalten, in denen er mitteilte, wo er die flüsternden Grashalme gehört hatte, deren Ährenspitzen ihm das Wissen um die großen Prophezeiungen des zu erwartenden Messias gebracht hatten. Sie war es, die die Schriftrollen aus der Erde ausgegraben und gebunden hat.« Er deutete auf das uralte Zauberbuch auf dem Sockel. »Sie gab sie an mich weiter, und ich las von dem Fluch der Medhya, den sie über ihre räuberischen Priester ausgesprochen hatte. Doch da gab es noch andere Schriftrollen, die von den Priestern von Myrryd genommen worden waren. Sie lagen inmitten hoher Berge verborgen, unter der Erde vergraben. Ich nutzte den Strom, um sie ausfindig zu machen, denn die Ursprünge deines Volkes können gefunden werden, indem man
den Strängen der dünnsten Fäden folgt. Und durch das Wissen der Myrrydanai...« Er schwieg einen Moment lang, als hätte er Angst, geheimes Wissen zu verraten, das nicht für mich bestimmt war. Dann sagte er: »Zeit bedeutete mir nichts, und mehrere Lebzeiten verstrichen, bis mir bewusst wurde, dass ich ein Auslöser sein konnte.«
»Dafür, Medhya herzubringen?«
»Dafür, allen Sterblichen Unsterblichkeit zu bringen«, entgegnete er.
»Und aufgrund deiner Ideale«, erwiderte ich, »sterben Tausende.«
»Sterbliche sterben immer zu Tausenden. Zu Millionen. Was bedeuten schon diese Leben, wenn es darum geht, Unsterblichkeit zu erschaffen? Ist es nicht das, was du jedes Mal von deinem Opfer verlangst, wenn du das Blut von Sterblichen trinkst?«, versetzte er. Dann befahl er den Wachen, zu uns zurückzukehren.
Ich trank von der jungen Frau, die er für mich vorgesehen hatte, bis sie ohnmächtig war, und hörte dann auf. »Ich werde sie nicht zu meinem Vergnügen töten, wie ihr, du und deine Baronin, es tut.« Ich hielt ihren Leib gegen den meinen gedrückt, bis ein Soldat sie mir abnahm und mir erneut die Handgelenke fesselte.
Dann ging Artephius dem Wächter voraus, der mich durch die engen und feuchten Korridore in andere Räume zerrte, an Soldaten und Schmieden vorbei. Währenddessen suchte ich nach einem Zeichen von Calyx oder der jungen Frau, die ich in der Arena getötet hatte. Aber es war außer den Wächtern niemand da, und diese blickten mich an, als wäre ich für sie ein geringeres Geschöpf als ein Tier auf dem Felde.
Schließlich erreichten wir einen langen, niedrigen Raum, in dem Haken von der Decke hingen, als handelte es sich hier um ein großes Schlachthaus. Stühle, Räder und Röhren säumten die Wände. Zangen waren auf den Boden geworfen worden, und eine Wand war zur Hälfte mit Blutflecken bedeckt. Ich wurde zu einem Opfer gebracht, das in einem Stuhl saß und dessen Kopf nach unten hing, als würde es herunterfallen, wäre es nicht daran festgebunden gewesen.
In diesem Augenblick spürte ich, wie sich die Qualen der Hölle in meine Seele einbrannten.
Das Gerät selbst bestand aus einem großen Rad, das von einem flachen Holzblock ausging, der so aufgestellt worden war, dass das Opfer darauf liegen konnte. Das Rad wurde von dem Blutstrom des Opfers selbst angetrieben, wenn das Blut in die langen Röhren schoss, so ähnlich wie ich sie einst in dem Weinkeller innerhalb der Grabstätte des Priesters des Blutes gesehen hatte. Wenn sich das Rad drehte, wurde das Opfer an den Füßen in die Höhe gezogen, und eine Reihe von Flaschenzügen und kleineren Rädern drehten sich und zogen es weiter nach oben, bis es mit dem Kopf nach unten herabhing. Die Röhren, die an Kehle, Oberschenkel und unter beiden Achselhöhlen angebracht waren, halfen dabei, die Gegenwehr des Opfers so gering wie möglich zu halten. Zu viele Bewegungen verursachten ein Zerbrechen des Glases, und dies führte dann von selbst dazu, dass das Blut rasch herausschoss. Auf diese Weise verlor der Vampyr seine gesamte Blutversorgung. Und ebenso wie Sterbliche auf ihr Blut angewiesen sind, so ist dies auch bei Vampyren der Fall. Die Auslöschung folgte schnell, wenn das Opfer all sein Blut verloren hatte, und der Haufen Fleisch konnte beiseite geworfen
werden, wenn das Blut von den Steinen des Bodens aufgewischt worden war.
Um den Vampyr zusätzlich dazu zu bringen, dass er stillhielt, war er
Weitere Kostenlose Bücher