Die kalte Koenigin
kämpfen, um dies zu überleben. Du musst die Maske der Gorgo finden, und zwar in dem Land, das im Westen liegt, jenseits des Meeresufers. Du wirst sie erkennen, wenn du spürst, dass der Strom stark wird. Dort musst du Pythia finden und ihr die Maske abnehmen. Du musst wieder in den Besitz des Stabes gelangen und das Schwert finden. All dies musst du tun. All dies, denn du hast zu lange in deinen Gefängnissen geschmachtet, Maz-Sherah. Die Zeremonien des Stammes müssen vollzogen werden.«
»Worum handelt es sich bei diesen Zeremonien, von denen du sprichst? Wie kann ich wissen, wie ihre Rituale durchzuführen sind?«
»Diese heiligen Gegenstände werden es dir mitteilen«, antwortete er. »Du musst sie in deinen Besitz bringen. Zur Zeit der Sonnenwende ist der Schleier am schwächsten. Du musst diese Fesseln überwinden, Maz-Sherah. Du musst das Silber selbst bekämpfen, denn du hast keine andere Wahl. Heile den Schleier innerhalb eines Monats. Heile den Schleier und halte Medhya davon ab, die Welt der Menschen zu betreten.«
Der Altar löste sich auf, ebenso wie die junge Frau mit der Maske und Merod selbst. Sie alle wurden zu flüssigem Silber unterhalb der Oberfläche des Spiegels.
Erneut sah ich mein totes Selbst, das mich anstarrte. Die Gebeine und das verrottende Fleisch der Toten. Die Lügen des Spiegels. Die Wahrheit über den, der ich einst gewesen war.
Da wandte ich mich ab. Ich ging den Korridor entlang, indem ich einen Blick in die anderen Spiegel vermied.
Am anderen Ende des Korridors öffnete sich eine Tür. Ein Wächter, der im Türeingang stand, führte mich in den nächsten Raum. Auch hier gab es wieder die Greifhaken, die von der niedrigen Decke herabhingen, sowie den Gestank verrottenden Fleisches und trocknenden Blutes. Männer, die die Maske von Folterern trugen, standen hier und bedienten die Maschinerie der Qualen, um zahlreiche sündige Menschen zu martern, deren Stöhnen und Schreien in der langen Kammer widerhallte. Ich spürte an meinen Handgelenken den Schmerz durch das Silber. Merod, du musst mir helfen. Wie überwinde ich das Silber? Wie kämpfe ich ohne meine Kraft? Wie entfalte ich meine Flügel, wenn ich durch dieses Metall zurückgehalten werde?
Ich erblickte den Roten Skorpion – seinen Stuhl, der aus Knochen und Leder bestand. Auch seine Klauen aus blankem Metall sah ich. Die Räder und Zahnräder hinter ihm drehten sich langsam, als wollte er mit seinem mechanischen Tanz beginnen, noch bevor ich auf ihm saß. An seinem Oberteil gab es einen Streifen aus Silber, der einem Heiligenschein ähnelte und dazu gedacht war, dem Vampyr um den Kopf gebunden zu werden. Wachen schnallten mich in dem Stuhl fest und befestigten meine Handgelenke und Beine an der Maschine.
Als die Klauen des Roten Skorpions einrasteten und mein Gesicht bedeckten, während ihre Scherenspitzen über meinen Augen und meinen Nasenlöchern schwebten, beugte sich Artephius zu mir und flüsterte: »Ihr seid Ungeheuer. Doch in euch tragt ihr die Geheimnisse um Jugend und Leben. Dein Leib und dein Blut werden der Baronin selbst ewiges Leben
bescheren. Deine Essenz wird meinen Knochen Fleisch bringen. Denn dazu wurdest du erschaffen, Maz-Sherah.« Er zog sich wieder zurück. Indem er den Folterern einen Blick zuwarf, sagte er: »Seine Qualen bereiten mir kein Vergnügen. Entzieht ihm die Essenz. Häutet ihn. Und dann übergebt ihn wieder mir, bevor der Morgen anbricht, so dass ich seine Wunden heilen kann.«
Ich beobachtete, wie er durch einen gewölbten Torbogen schritt, begleitet von seinen Wachen.
Dann hörte ich ein Summen, das sich anhörte, als stammte es von einem Schwarm aus tausend Fliegen, sowie das Rasseln und Klacken von knarrenden Ketten. Ich spürte, wie sich nadelscharfe Spitzen langsam in meinen Leib zu bohren begannen. Winzige Röhrchen aus Glas entzogen mir das Blut und führten meinem Körper den Saft der Sang-Fleur zu. So spürte ich den Wahn des Schleiers, wusste aber auch, dass in nur wenigen Augenblicken meine Haut vom Gesicht gezogen, meine Augen durchbohrt und meine Nasenlöcher erforscht werden würden, und zwar bis hinauf zu der Knochenplatte, die mein Gehirn vor den Stachelfingern des Roten Skorpions und vor Artephius’ Untersuchungen meines Körpers und Blutes schützte.
Ich vernahm eine Reihe von krachenden Geräuschen, wie von den Kiefern irgendeiner Kreatur, die über ihre Beute herfällt. Die mechanischen Klauen bewegten sich auf mein Gesicht zu, mit ihren Scheren, die scharf
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