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Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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des Lasters schallende blecherne Gedudel einer mexikanischen Mamboband in den Hangar. Drinnen kletterte Ibrahim bin Daoud die schmale Metallleiter hoch in den Laderaum des Umzugswagens und inspizierte die großen Jutesäcke, auf denen in schwarzen Lettern Ammoniumnitrat gedruckt war. Daoud hatte in einem kleinen Marmeladenglas eine Probe Ammoniumnitrat mitgebracht und verglich sie mit dem Inhalt der Säcke.
    Leroy, der von unten zusah, rief ungeduldig: »Und?«
    »Es ist eindeutig Ammoniumnitrat«, bestätigte der Ägypter.
    Mit einem schiefen Lächeln hob Leroy einen großen Koffer aus dem Kofferraum von Daouds gemietetem Toyota, stellte ihn auf die Kühlerhaube und öffnete den Deckel. Lincoln, der auf seinen Stock gelehnt dabei stand, sah einen transparenten Plastikbeutel voller Hundertdollarscheine mit gelben Banderolen. Eine Sechs-Volt-Batterie, eine Rolle Elektrodraht, eine kleine Tasche mit Werkzeug und etlichen Zündhütchen aus Armeebeständen befanden sich ebenfalls in dem Koffer. Lincoln deutete mit seinem Stock auf das Geld.
    »Nachzählen«, sagte er zu dem drahtigen Mann, der den Umzugswagen von Pennsauken hergefahren hatte, der Sammelstelle für die Pick-ups, mit denen das Ammoniumnitrat von verschiedenen Teilen der Ostküste hergebracht worden war. Lincoln lehnte sich mit dem Rücken gegen einen rostigen Pfosten und schaute zu. Er spürte, wie das Halfter mit der Automatikpistole ihn im Kreuz auf der Haut scheuerte. Oben im Laderaum des Umzugswagens öffnete Daoud jeden Jutesack in den ersten zwei Reihen, um den Inhalt zu prüfen. Er leuchtete mit einer Taschenlampe in die Tiefe des Laderaums hinein und zählte die Säcke laut auf Ägyptisch. Zufrieden stieg er die Metallleiter hinab und ging hinüber zu Lincoln.
    »Mit Ihnen kann man wirklich Geschäfte machen«, sagte er.
    Der Mann, der die Geldpäckchen zählte und unter dessen Sportsakko sich ein Pistolenhalfter abzeichnete, blickte auf. »Wenn in jedem Päckchen hundert Scheine sind, wie Sie behaupten«, sagte er zu Lincoln, »dann stimmt es.«
    »Wir wären schön dumm, wenn wir Sie übers Ohr hauen würden«, sagte Daoud. »Schließlich haben wir in der Neumondnacht in Boa Vista noch ein Geschäft abzuwickeln. Sind Sie mit dem radioaktiven Abfall weiter gekommen?«
    »Ich habe dreiundzwanzigtausend Plutonium-Pits aufgetan, die auf einem geheimen Militärgrundstück in zwei Schuppen gelagert werden. Die Sicherheitsmaßnahmen sind lächerlich – ein Stacheldrahtzaun um die Schuppen und Vorhängeschlösser an den Türen.«
    Daoud war ein Mensch, der seine Emotionen nicht so ohne weiteres zeigte. Jetzt konnte er seine Begeisterung nicht mehr zügeln und machte einen kleinen Freudentanz auf dem Zementboden des Hangars. »Mein saudischer Freund wird darüber sehr erfreut sein. In welcher Gegend Russlands befinden sich die Schuppen?«
    Lincoln schmunzelte nur.
    Daoud sagte rasch: »Ich wollte nicht indiskret sein. Ich möchte nur in etwa einschätzen können, wie schwierig es werden wird, eine bestimmte Menge von diesen Pits herauszuholen und sie über diverse Grenzen nach Afghanistan zu transportieren.«
    »Es lässt sich bewerkstelligen. Ich verlange eine Anzahlung von zweihundertfünfzigtausend US-Dollar in gebrauchten Hundertern, zahlbar, wenn ich mich mit dem Saudi in der Nacht des vierten Februars in Boa Vista treffe.«
    Daoud wollte gerade sagen, dass die Anzahlung in Boa Vista bereitliegen würde, als hinten im Hangar Bewegung entstand. Daouds dicker Enkelsohn wand sich durch eine Lücke in der Wellblechwand. Auf Ägyptisch rufend, kam er auf seinen Großvater zugelaufen. Daouds rechte Hand tauchte tief in die Tasche seines Regenmantels und zog eine Pistole mit Schalldämpfer heraus. »Mein Enkel sagt, die Männer da draußen am Lagerfeuer sind mit Maschinengewehren bewaffnet – er hat sich ganz nah rangeschlichen und gesehen, wie die Gewehre von dem Laster verteilt wurden. Sieht so aus, als wären wir in eine Falle gelaufen –«
    Die Scheinwerfer von einem Dutzend Fahrzeugen, die in dem am Boden klebenden Morgendunst schimmerten, kamen auf der Abfahrt des Pulaski Skyway eine halbe Meile entfernt in Sicht. Seite an Seite näherten sich die Autos dem Hangar.
    Leroy rief: »Her mit dem Zünder – ich jag den Umzugswagen in die Luft und befördere sie alle ins Jenseits«, doch bevor er etwas unternehmen konnte, schnappte sich der drahtige Mann, der das Geld gezählt hatte, den Koffer und verschwand durch die Öffnung in der Seitenwand des

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