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Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Wir mussten sichergehen –«
    Bevor Fred den Satz beenden konnte, erschien Minh mit einem kleinen Unterteller, auf dem die gefaltete Rechnung lag. Sie stellte ihn zwischen die beiden. Fred nahm sie rasch an sich und warf einen Blick auf den Betrag, dann zog sie zwei Zehner aus einem Packen Scheine und strich sie auf dem Unterteller flach. Sie beschwerte sie mit einem Salzstreuer. Sie und Martin warteten schweigend, bis die Kellnerin kam, den Salzstreuer entfernte und mit dem Geld verschwand.
    »Ich hatte wirklich eine Schwäche für Sie«, sagte Fred schließlich und schüttelte versonnen den Kopf.
    Martin schien mit sich selbst zu reden. »Ich brauchte Hilfe, um mich zu erinnern«, murmelte er. »Ich habe keine bekommen.«
    »Beschweren Sie sich nicht«, entgegnete Fred. Sie stand auf. »Tun Sie nichts, weshalb ich meine Entscheidung bei der Stimmabgabe bereuen würde, Dante. He, und viel Glück mit Ihrer Detektei. Wenn ich eines nicht ausstehen kann, dann sind das Tschetschenen, die dem Corpus Delicti noch rasch die Goldzähne klauen, bevor sie ihn einäschern.«
     
    Sie brausten auf dem Brooklyn-Queens-Expressway Richtung La Guardia Airport, um den Rückflug nach Washington zu erwischen, als das Telefon am Armaturenbrett schrillte. Der Mitarbeiter der Operationsabteilung, der den Chauffeur spielte, riss den Apparat aus der Halterung und hielt ihn sich ans Ohr. »Moment«, sagte er und reichte das Telefon über die Schulter weiter an Crystal Quest, die im Fond saß und vor sich hin döste.
    »Quest«, sagte sie in die Sprechmuschel.
    Sie nahm auf der Rückbank Haltung an. »Jawohl, Sir, erledigt. Dante und ich kennen uns seit einer Ewigkeit – da ich ihm die Botschaft persönlich überbracht habe, weiß er genau, dass das kein Freundschaftsbesuch war.« Sie lauschte einen Moment. Der Fahrer nahm stark an, dass die blechernen Töne, die aus der Hörmuschel drangen, in Tonfall und Wortwahl heftige Verärgerung signalisierten.
    Quest kratzte sich den Kopf. »Ich fahre auf keinen Fall die sanfte Tour, Director – das ist nicht mein Stil. Ich war sein Führungsoffizier, als er noch aktiv war. Dass er aus der Kälte kam, ändert nichts. Was mich betrifft, so betreue ich ihn immer noch. Solange er sich nicht erinnert, was passiert ist – solange er sich aus der Samat-Sache raushält –, besteht kein Grund, die Entscheidung noch einmal zu überdenken.« Sie lauschte wieder, dann sagte sie kalt: »Ganz meine Meinung, keine unnötigen Risiken. Wenn er zu weit geht, dann –«
    Der Mann am anderen Ende der Leitung beendete den Satz für sie. Der Fahrer sah im Rückspiegel, wie seine Chefin nickte, während sie die Anweisung entgegennahm.
    »Verlassen Sie sich darauf«, sagte Quest.
    Anscheinend war die Leitung jäh unterbrochen worden – der Director war dafür bekannt, Gespräche abrupt zu beenden –, denn Quest beugte sich vor und ließ das Telefon auf den Beifahrersitz fallen. Sie lehnte sich wieder gegen die Tür, und während sie blicklos zum Fenster hinausstarrte, murmelte sie irgendetwas Unzusammenhängendes vor sich hin. Nach einer Weile bekamen die Worte einen Sinn. »CIA-Chefs kommen und gehen«, so war zu hören. »Diejenigen, die in Langley landen, weil sie Beziehungen zum Weißen Haus haben, sind nicht die Hüter der Flamme – das sind wir. Wir halten die Festungswälle besetzt, während sich der Oberboss auf irgendwelchen Dinnerpartys in Georgetown den Hintern wund sitzt. Wir betreuen die Agenten, die für unser Land am Rande der Finsternis ihr Leben aufs Spiel setzen. Und den Preis zahlen wir. Wenn der Agent zu viel trinkt, kriegt der Führungsoffizier ’nen Kater. Wenn der Agent sauer wird, sind wir ungenießbar. Wenn der Agent stirbt, gehen wir in Sack und Asche und trauern vierzig Tage und vierzig Nächte.« Quest sehnte sich nach ihrer verlorenen Jugend, nach ihrer verlustig gegangenen Weiblichkeit. »Und trotzdem«, fuhr sie mit plötzlich gestrenger Stimme fort, »würden wir den Mistkerl eliminieren, wenn es so aussieht, als könnte er eine Gefahr fürs Familienunternehmen werden.«
     
    Martins Wecker klingelte vor dem Morgengrauen. Für den Fall, dass Fred doch irgendwo eine Wanze versteckt hatte, schaltete er das Radio ein und drehte die Lautstärke auf, um seine Schritte und das Geräusch von schließenden Türen zu übertönen. Noch im Trainingsanzug ging er hinauf aufs Dach und betätigte den Rauchbläser, und prompt stürzte sich die Bienenkolonie im zweiten der beiden Stöcke gierig auf

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