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Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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zufällig aussehen zu lassen. «
    » Mein Onkel Tsvetan will Sie so schnell wie möglich sehen. Er hatte dringende Nachrichten für Langley. Er will Garantien, dass er exfiltriert wird, wenn die Sache schief geht. Er will sichergehen, dass die Leute, für die Sie arbeiten, alles Notwendige für den Fall der Exfiltration vorbereiten. «
    » Wo kann ich ihn treffen? «
    » Er wohnt in einem Dorf nicht weit von Moskau. Es heißt Prigorodnaja. Ich lade Sie übers Wochenende in seine Datscha ein. Wir erzählen allen, wir hätten zusammen ein Zimmer im Wohnheim am Forstinstitut gehabt. Wir haben Informatik studiert, wenn jemand fragen sollte. «
    » Ich verstehe nichts von Computern. «
    » Genau wie außer mir alle anderen in Prigorodnaja. «
    Martin erblickte die ersten Holzhäuser am Rande des Dorfes, jedes mit einem kleinen, umzäunten Garten. Hier und da war eine Kuh oder ein Schwein an einen Baum gebunden. Ein stämmiger Bauer, der auf einem Baumstumpf Holz hackte, blickte auf und erstarrte in der Bewegung. Die große Axt rutschte ihm aus den Fingern, während er den Besucher anstarrte. Er wich zurück wie vor einem Geist, drehte sich dann um und verschwand über den Pfad, der an der kleinen Kirche mit den Zwiebelkuppeln endete, von denen die Farbe abblätterte. Als er sich der Kirche näherte, sah er hinter dem Friedhof einen zementierten Platz mit einem aufgemalten weißen Kreis in der Mitte, der von Motorabgasen schwarz verrußt war. Ein orthodoxer Priester mit einer verwaschenen schwarzen Robe, unter der seine nackten, dünnen Knöchel hervorschauten, die in Nike-Turnschuhen steckten, stand vor dem Kirchentor. Er hielt ein winziges Holzkreuz hoch über dem Kopf, während Männer und Frauen aus dem Dorf, die den Holzsplitter sehen wollten, zur Kirche strömten.
    Als Martin näher kam, tuschelten die Frauen untereinander und viele bekreuzigten sich ängstlich.
    »Bist du das wirklich, Josef?«, fragte der Priester.
    Martin ging auf den Priester zu. »Ist Samat wieder in Prigorodnaja?«, fragte er.
    »Er ist mit seinem Hubschrauber gekommen und gleich wieder abgeflogen. Er hat dieses Kreuz, das aus dem Holz des Wahren Kreuzes in Susowka gefertigt wurde, unserer Kirche hier gestiftet, wo seine fromme Mutter täglich für seine Seele betet. Auch für deine.«
    »Ist er in Gefahr?«
    »Nicht mehr und nicht weniger als wir es waren, nachdem entdeckt wurde, dass die Planken über dem Loch in der Straße entfernt worden waren und der Mann, den man dort lebendig begraben hatte, verschwunden war.«
    Der Priester ging offenbar davon aus, dass Martin wusste, wovon die Rede war. »Wer hat Samat beschützt?«, fragte er.
    »Sein Onkel, Tsvetan Ugor-Shilow, den wir den Oligarchen nennen.«
    »Und wer hat seinen Onkel beschützt?«
    Der Priester schüttelte den Kopf. »Mächtige Organisationen, deren Namen besser ungenannt bleiben.«
    »Und wer hat euch beschützt, als ihr die Planken entfernt und den Mann aus dem Loch befreit habt?«
    »Der allmächtige Gott«, sagte der Priester und schlug mit der freien Hand das orthodoxe Kreuzzeichen.
    Martin blickte hinauf zu den Zwiebelkuppeln, dann sah er wieder den Priester an. »Ich möchte mit Samats Mutter sprechen«, verkündete er und rechnete fast damit, dass sie eine der Frauen war, die aus einiger Entfernung zuschauten.
    »Sie lebt allein in der Datscha des Oligarchen«, sagte der Priester.
    »Kristyna ist eine Verrückte«, sagte der Bauer, der das Holz gehackt hatte. Die anderen Bauern bekreuzigten sich erneut und nickten zustimmend.
    »Und wo ist der Oligarch?«, fragte Martin.
    »Er hat Prigorodnaja verlassen, aber wohin, weiß keiner von uns.«
    »Wann hat er Prigorodnaja verlassen?«
    »Das weiß niemand genau. An einem Tag ist er noch wie immer am Fluss entlanggehumpelt, auf seinen Krücken, hinter sich die Leibwächter, vor sich die spielenden Barsois, und am nächsten war die Datscha fast völlig leer geräumt, und nur eine einzelne Kerze brannte noch an langen Winterabenden unten in einem Fenster.«
    Martin ging auf das weitläufige Anwesen mit dem hölzernen Ausguck zu, der die Birken ringsum überragte. Die Bauern machten ihm Platz, einige berührten ihn am Arm, und eine zahnlose Frau sagte mit gackerndem Lachen: »Wieder zurück von den Toten und Begrabenen, was?« Magere Hühner und ein Hahn mit prächtigem Gefieder stoben vor Martins Füßen davon, wirbelten den feinen Staub vom Weg auf. Von Neugier getrieben, folgten ihm die Dorfbewohner und der Priester, der das

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