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Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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passt alles«, platzte Samat heraus. »Mrs. Quest hat uns verständigt … sie hat meinem Onkel Tsvetan und mir erzählt … die Leute von der FBI-Spionageabwehr in der amerikanischen Botschaft hätten dich aufgegriffen, wie du in den Nebenstraßen von der Ringstraße herumgeirrt bist. Sie hat gesagt, du könntest dich an nichts erinnern, weder wer du bist, noch was dir zugestoßen ist … sie hat von einem Trauma gesprochen … sie hat gesagt, es sei besser für alle Beteiligten, wenn du dich nicht erinnern könntest. Ha, du hast sie alle reingelegt, Josef.« Samat fing an zu wimmern und Tränen glitzerten auf seinen knochigen Wangen. »Wenn sie den Verdacht gehabt hätten, dass du dich erinnerst, hättest du Moskau nicht lebend verlassen.«
    »Ich wusste, dass alles darauf ankam, sie von meiner Amnesie zu überzeugen.«
    »Der Oligarch war derjenige, der deine Folter angeordnet hat«, sagte Samat mit jäher Vehemenz. »Er war überzeugt, dass du die Prigorodnaja-Operation verraten hattest. Er musste wissen, an wen. Mrs. Quest musste wissen, an wen. Es ging um Schadensbegrenzung. Faule Stellen müssen ausgebrannt werden, hat mein Onkel gesagt. Ich hab versucht, mit ihm zu reden, Josef. Ich habe ihm gesagt, es wäre möglich, dass du die Operation verraten hast, als du kapiert hast, worum es geht – aber nur intern. Nur an Crystal Quest. Ich hab geschworen, du würdest nie zur Presse oder zur Polizei gehen. Und ich hab ihm gesagt, du wärst sicherlich umzustimmen und würdest die Sache dann von unserer Warte aus sehen. Schließlich haben wir doch alle für dieselbe Organisation gearbeitet, oder? Es stand uns nicht zu, die Operation zu verurteilen. Die CIA hat uns den Kurs genannt und wir sind losmarschiert. Du warst ein Soldat wie ich, wie mein Onkel, du warst das Bindeglied zwischen uns und Mrs. Quest, zwischen uns und Langley.«
    Martin musste Samat dazu bringen, die Lücken für ihn zu füllen.
    »Das ganze Ausmaß der Operation hat mich angewidert«, sagte er.
    »So was war noch nie versucht worden.«
    Samats Kopf wippte ruhelos auf und ab. Worte sprudelten hervor, als könnten sie allein dadurch, dass sie die Luft füllten, eine Verbindung zwischen ihm und dem Mann herstellen, den er als Josef kannte. »Als die CIA Kontakt zu meinem Onkel Tsvetan aufnahm, besaß er einen Gebrauchtwagenhandel in Armenien. Er war für sie interessant, weil sein Vater und sein Großvater von den Bolschewiken hingerichtet worden waren, weil sein Bruder, mein Vater, in den Lagern gestorben war, weil er selbst jahrelang in einem sibirischen Gefängnis gesessen hatte. Tsvetan hasste das sowjetische Regime und die Russen an der Regierung. Er wollte Rache, und dafür war er bereit, alles zu tun. Also hat die CIA ihn finanziell unterstützt – mit ihrem Geld hat er den Gebrauchtwagenmarkt in Moskau aufgekauft. Und weil die CIA so spendabel war – ich rede hier von mehreren hundert Millionen Dollar –, konnte er in die Aluminiumbranche einsteigen, im ganz großen Stil. In kurzer Zeit hatte er den russischen Aluminiummarkt unter Kontrolle und ein milliardenschweres Dollarvermögen angehäuft. Und sein Imperium wuchs weiter – er handelte mit Stahl und Chrom und Kohle, kaufte dutzendweise Fabriken und Unternehmen, und er eröffnete Banken, die die Profite im Ausland waschen sollten. Und an dem Punkt kam ich ins Spiel. Tsvetan hatte absolutes Vertrauen zu mir – ich war der Einzige, der den Überblick über das Imperium des Oligarchien hatte. Ich hatte alles im Kopf. Und dann, als Tsvetan sich etabliert hatte, drängte die CIA ihn in die Politik. Wenn mein Onkel sich bei Jelzin eingeschmeichelt hat, dann nur, weil er Mrs. Quests Schlachtplan befolgte. Als Jelzin sein erstes Buch veröffentlichen wollte, hat Tsvetan die Verträge gemacht und die erste Auflage gekauft. Die Familie Jelzin stellte plötzlich fest, dass sie Anteile an riesigen Unternehmen besaß. Mit Hilfe des Oligarchien wurde Jelzin ein reicher Mann. Als Jelzin 1991 für das Amt des russischen Präsidenten kandidierte, finanzierte Tsvetan die Kampagne. Tsvetan hat auch Jelzins persönliche Leibgarde, den präsidialen Sicherheitsdienst, bezahlt. Klar, dass Jelzin sich, wenn er Rat brauchte, an die führende Figur im Kreis seiner Vertrauten gewandt hat, an den Oligarchen.«
    Martin ahnte, was es mit dem Prigorodnaja-Komplott auf sich hatte. »Jelzins katastrophale Entscheidung Anfang der Neunziger, die Preise freizugeben und Russland nolens volens in eine freie

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