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Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Sprengladungen von dem Hügel in der Nähe aus hochgehen ließ. Als Dr. al-Karims Leute den ersten aus Gips gebastelten Stein fertig hatten, füllte Dante ihn mit PETN und bereitete die Fernzündung vor. Die Schüler legten die Steinattrappe unten in den Steinbruch und banden zehn Meter davon entfernt eine lahme Ziege an. Dann stiegen alle den Hügel hinauf. Der Imam, der von dem Experiment gehört hatte, erschien höchstpersönlich, um aus sicherer Entfernung zuzuschauen. Dante winkte, und Dr. al-Karim, von vier Bodyguards umringt, hob eine Hand zum Gruß. Einer der jungen Fedajin schloss einen kleinen Sender an eine Autobatterie an. Alle blickten gebannt auf die Ziege unten im Steinbruch. »Okay, Abdullah«, sagte Dante.
    »Lass krachen.« Abdullah drehte den Knopf an dem kleinen Funkgerät, bis es hörbar klickte, und drückte dann darauf. Tief unten im Steinbruch ertönte eine Detonation wie ein trockener Husten, und Staub wirbelte auf. Als sich die Wolke aufgelöst hatte, war die Ziege verschwunden, und die Stelle, wo sie gestanden hatte, war blutgetränkt und mit Eingeweiden übersät.
    »Gott ist groß«, murmelte Abdullah.
    »PETN ist größer«, sagte Dante.
    Als Dante am Nachmittag das Arbeitszimmer des Imams betrat, kam Dr. al-Karim um den Schreibtisch herum auf ihn zugeeilt, um ihm zu gratulieren. »Sie haben sich Ihr Honorar verdient, Mr. Pippen«, sagte er und legte seinen wabbeligen Arm um Dantes Schulter. »Meine Kämpfer können es kaum erwarten, Ihre ferngesteuerte Bombe gegen die Juden einzusetzen.«
    Beide nahmen auf Küchenstühlen Platz. Dr. al-Karim holte seine Perlenschnur hervor und ließ sie mit beachtlichem Geschick durch die Finger gleiten, während Dante erklärte, dass er noch exakt zehn Tage brauche, um die Fedajin kampfbereit zu machen.
    »Wir haben so lange gewartet«, sagte der Imam. »Da werden uns zehn Tage mehr nichts ausmachen.«
    »Eins würde mich interessieren, Dr. al-Karim –« Dante zögerte.
    Der Imam nickte knapp. »Fragen Sie nur, Mr. Pippen.«
    »Mir ist aufgefallen, dass Sie häufig von den Juden sprechen, nicht von den Israelis. Und ich frage mich, ob die Hisbollah da nicht etwas verwechselt. Ich will damit sagen: Seid ihr antiisraelisch oder antijüdisch?«
    »Da Israel ein feindlicher Staat ist«, erwiderte der Imam ohne Zögern, »sind wir natürlich antiisraelisch.« Seine Perlschnur setzte sich wieder in Bewegung. »Aber verstehen Sie mich nicht falsch, wir sind auch antijüdisch. Unsere gemeinsame Geschichte geht zurück auf den Propheten Muhammad. Die Juden haben weder die Echtheit des Islam als die einzig wahre Religion anerkannt noch den Koran als das Wort Gottes.«
    »Eure Kritiker sagen, mit dieser Haltung seid ihr nicht weit von Adolf Hitler entfernt.«
    Der Imam schüttelte heftig den Kopf. »Ganz und gar nicht, Mr. Pippen. Unsere Kritiker übersehen da einen entscheidenden Punkt. Hitler war Antisemit. Es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen antijüdisch und antisemitisch.«
    »Da komm ich nicht mehr mit …«
    »Antisemiten, Mr. Pippen, glauben, einmal Jude, immer Jude. Für Hitler blieb ein Jude selbst dann ein Jude, wenn er zum Christentum konvertierte. Folglich konnte es für Nazis im Besonderen und für Antisemiten im Allgemeinen nur eine Lösung geben, nämlich die ›Endlösung‹, die Vernichtung der Juden. Antijüdisch sein dagegen bedeutet, dass es noch eine andere Lösung als die Vernichtung gibt, eine Möglichkeit, wie Juden sich vor der Vernichtung retten können.«
    »Und die wäre?«
    »Der Jude kann zum Islam konvertieren, dann hat der Islam nichts mehr an ihm auszusetzen.«
    »Verstehe.«
    »Was verstehen Sie, Mr. Pippen?«
    »Dass ich das Gespräch gar nicht erst hätte anfangen sollen. Ich arbeite für Sie. Sie bezahlen mich für geleistete Dienste, nicht für meine Ansichten über Ihre Ansichten.«
    »Ganz richtig, ganz richtig. Aber auch wenn meine Antworten Sie nicht interessieren, so gebe ich dennoch zu, dass Ihre Fragen mich interessieren.«
    Abdullah tauchte draußen am Fenster auf und klopfte mit einem Fingernagel an die Scheibe. Als der Imam zum Fenster ging, deutete Abdullah auf den Wagen, der sich auf der gewundenen Straße dem Hisbollah-Lager näherte.
    »Das hätte ich fast vergessen«, sagte Dr. al-Karim, als er sich wieder zu Dante umdrehte. »Ich erwarte Besuch. Der syrische Kommandeur im Bekaa-Tal kommt hin und wieder vorbei, um zu sehen, was wir im Schilde führen. Er bleibt bis morgen nach den Gebeten

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