Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die kalte Legende

Die kalte Legende

Titel: Die kalte Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
Vom Netzwerk:
telefoniert hat«, sagte Martin. »Hat er angerufen, oder wurde er angerufen?«
    »Sowohl als auch.«
    »Dann müssten die Nummern, die er gewählt hat, doch bei der Telefongesellschaft gespeichert sein.«
    Wieder schüttelte sie den Kopf. »Der Rabbi hat unseren Sicherheitsdienst hier gebeten, die Nummern zu besorgen. Die haben sogar extra jemanden nach Tel Aviv zu der Telefongesellschaft geschickt. Aber die Magnetbänder mit den gespeicherten Verbindungen waren versehentlich gelöscht worden.«
    »In welcher Sprache hat er telefoniert?«
    »Englisch. Russisch. Manchmal Armenisch.«
    »Haben Sie ihn nie gefragt, womit er sein Geld verdient?«
    »Doch, einmal.«
    Stella fragte: »Und was hat er gesagt?«
    »Zuerst hat er nicht geantwortet. Als ich nicht locker ließ, hat er gesagt, er würde Beinprothesen aus dem Westen an die Opfer von russischen Landminen in Bosnien, Tschetschenien und Kurdistan verkaufen. Er hat gesagt, wenn er wollte, könnte er ein Vermögen damit machen, aber er würde sie praktisch zum Einkaufspreis verkaufen.«
    »Und du hast ihm geglaubt?«, fragte Stella.
    »Ich hatte keinen Grund, ihm nicht zu glauben.« Plötzlich weiteten sich Ya’aras Augen. »Einmal hat jemand angerufen, als er nicht da war, und eine Nummer hinterlassen, die er zurückrufen sollte. Ich dachte, es hätte was mit den Prothesen zu tun, und habe die Nummer auf die Rückseite eines Backrezepts geschrieben, das zufällig auf dem Tisch lag. Dann hab ich die Nummer auf dem Block neben dem Telefon notiert. Ich hab das Blatt abgerissen und Samat gegeben, als er nach Hause kam, und er ist damit ins Schlafzimmer und hat telefoniert. Das Telefonat muss ihn ganz schön aufgeregt haben, denn einmal hat er richtig in den Hörer geschrien. Außerdem ist er immer wieder ins Russische gefallen.«
    »Das Backrezept«, sagte Stella sanft. »Hast du das noch?«
    Stella und Martin sahen Ya’ara an, dass sie unsicher wurde. »Es wäre kein Verrat an Ihrem Mann«, sagte Martin. »Falls wir ihn überhaupt finden, wollen wir nur dafür sorgen, dass Sie diesen berühmten get bekommen, damit Sie Ihr Leben weiterleben können.«
    »Das ist Samat dir schuldig«, sagte Stella.
    Seufzend und wie von der Schwerkraft zurückgehalten, hievte Ya’ara sich hoch und schlurfte in die Kochnische, wo sie eine Blechdose aus einem Schrank an der Wand nahm. Sie kam damit an den Tisch, öffnete den Deckel und blätterte Rezepte durch, die sie im Laufe der Jahre aus Zeitschriften ausgerissen hatte. Sie nahm ein Apfelstrudelrezept heraus und drehte es um. Eine Telefonnummer mit der Landesvorwahl 44 und der Stadtvorwahl 171 war mit Bleistift auf die Rückseite gekritzelt. Martin holte einen Filzstift und ein kleines Notizbuch hervor und notierte sich die Nummer.
    »Wo ist das?«, wollte Stella wissen.
    »44 ist England, 171 ist London«, sagte Martin. Er wandte sich an Ya’ara. »Hat Samat die Siedlung häufig verlassen?«, fragte er.
    »Ein-, zweimal die Woche ist er weggefahren, immer allein, manchmal für ein paar Stunden, manchmal für mehrere Tage.«
    »Haben Sie eine Ahnung, wohin?«
    »Ich habe ihn ein einziges Mal gefragt, und da hat er nur gesagt, es ginge eine Ehefrau nichts an, wo ihr Mann sich aufhält.«
    Stella blickte Martin mit hellwachen Augen an. »Wir sind einmal mit ihm gefahren.« Sie lächelte ihrer Halbschwester zu. »Weißt du nicht mehr, Elena –«
    »Ich heiße jetzt Ya’ara«, erinnerte Stellas Schwester sie kühl.
    Stella ließ sich nicht beirren. »Das war gleich nach eurer Hochzeit«, sagte sie aufgeregt. »Ich musste um sieben Uhr abends am Flughafen Ben Gurion sein, für meinen Rückflug nach New York. Samat war irgendwo an der Küste zum Lunch verabredet. Er hat gesagt, wenn wir nichts dagegen hätten, uns ein wenig die Zeit zu vertreiben, könnte er uns so lange am Strand absetzen und mich dann auf dem Rückweg nach Qiryat Arba zum Flughafen bringen.«
    »Ja, jetzt fällt’s mir wieder ein«, sagte Ya’ara. »Wir haben Sandwiches gemacht, sie in eine Tüte gepackt und eine Flasche Apfelsaft mitgenommen.« Sie seufzte wieder. »Das war einer der schönsten Tage meines Lebens«, fügte sie hinzu.
    Stella sagte zu Martin: »Er hat nördlich von Tel Aviv die Schnellstraße genommen und ist an der Ausfahrt Caesarea runter. Dann sind wir durch ein Wirrwarr von Straßen gefahren, aber er hat kein einziges Mal gezögert, er kannte sich anscheinend sehr gut aus. Am Rand der Sanddünen hat er uns abgesetzt, in der Nähe von ein paar

Weitere Kostenlose Bücher