Die kalte Legende
schwer von Begriff oder was?«, sagte er langsam mit träge knurrender Stimme. »Muss ich es buchstabieren? Also schön: Ich möchte wissen, was der Vater der Schwester der Frau, der inzwischen verstorben ist, Ihnen dafür geboten hat, meinen Neffen Samat zu finden. Ich frage das, weil die Summe, die er Ihnen geboten hat, nichts ist im Vergleich zu der, die ich auf den Tisch legen werde, wenn Sie mich zu ihm führen. Was halten Sie von einer Million Dollar bar auf die Hand? Oder den gleichen Betrag in Schweizer oder deutscher Währung?«
»Ich verstehe nicht ganz.«
Akim stöhnte genervt. »Sie müssen auch nicht verstehen«, sagte er nachdrücklich. Er ging weiter Richtung Geländewagen. »Aus sechs meiner Holdingfirmen, die Samat kontrolliert hat, sind hundertdreißig Millionen US-Dollar verschwunden. Diese graue Maus von Ehefrau in Qiryat Arba ist nicht die Einzige, die die Scheidung will. Auch ich will sie. Ich will die Scheidung von meinem Neffen. Ich will, dass er mein Exneffe wird. Also, abgemacht, Mr. Odum? Sie haben meine Telefonnummer. Wenn Sie Samat finden, bevor ich ihn zu fassen kriege, rufen Sie mich an, und Sie werden ein reicher Mann.«
Stella und Martin hoben ihre Koffer auf den Tisch und öffneten sie. Eine der Soldatinnen mit weißen Latexhandschuhen machte sich daran, den Inhalt zu durchsuchen. Ihre Kollegin, die Augen mit schwarzem Lidstrich umrandet, stellte eine Reihe von Fragen, die sie nach Erhalt der Antwort auf einem Klemmbrett abhakte. Hatte irgendwer ihnen irgendetwas gegeben, das sie aus Israel herausbringen sollten? Wer hatte die Koffer gepackt? Waren die Koffer nach dem Packen irgendwann unbeaufsichtigt gewesen? Was war der Zweck ihrer Reise nach Israel? Hatten sie irgendwelche arabischen Orte oder den arabischen Teil von Jerusalem besucht? Wie waren sie zum Flughafen gekommen? Hatten sie die Koffer die ganze Zeit im Auge, nachdem sie aus dem Taxi gestiegen waren?
Schließlich blickte die junge Frau auf. »Reisen Sie zusammen?«
»Ja«, erwiderte Martin.
»Verzeihen Sie die persönliche Frage, aber in welchem Verhältnis stehen Sie zueinander?«
»Wir sind bloß Freunde«, erwiderte Stella.
»Wie lange kennen Sie sich schon?«
»Seit gut zwei Wochen«, sagte Martin.
»Und obwohl Sie sich erst so kurz kennen, reisen Sie gemeinsam nach Israel?«
Stella wurde ärgerlich. »Muss man ein Liebespaar sein, um zusammen zu verreisen?«
»Ich stelle nur die Fragen, die wir allen Passagieren stellen müssen«, erwiderte sie. Dann sagte sie, an Stella gewandt: »Ihren Tickets nach sind Sie beide von Athen nach Israel geflogen. Ihr Freund fliegt aber nach London und Sie nach New York. Warum trennen sich Ihre Wege?«
»Ich fliege nach New York, um meinen Vater zu beerdigen«, erklärte Stella.
Die Frau sagte: »Ihr Vater ist also verstorben.« Sie machte sich eine Notiz.
»Ich werde ihn ja wohl kaum lebendig begraben.«
Die Frau ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Sie reisen mit einem amerikanischen Pass, sprechen aber mit einem leichten osteuropäischen Akzent.«
»Es ist ein russischer Akzent. Ich bin vor neun Jahren aus Russland in die USA emigriert.«
»Zu der Zeit konnte man nicht so ohne weiteres aus der Sowjetunion auswandern. Wie konnten Sie das Land verlassen?«
Stellas Augen verengten sich. »Mein Vater, meine Schwester und ich haben am Schwarzen Meer in Bulgarien Urlaub gemacht. Die CIA hat uns griechische Pässe zugesteckt, und wir sind an Bord eines Kreuzfahrtschiffes gegangen, das durch den Bosporus nach Piräus zurückfuhr.«
Die beiden Soldatinnen wechselten Blicke. »Flughafensicherheit ist nicht zum Späßen«, fauchte die Frau, die das Gepäck durchsuchte.
»Mir ist weiß Gott nicht nach Späßen zumute«, entgegnete Stella.
Die junge Frau mit dem Klemmbrett hob ein Walkie-Talkie an die Lippen und murmelte etwas auf Hebräisch. »Sie warten hier einen Moment«, befahl sie. Sie ging zu zwei Männern in Zivil hinüber, sagte etwas und nickte dabei Richtung Stella und Martin. Einer der Männer nahm ein kleines Notizbuch aus der Tasche und blätterte darin herum, bis er die Seite fand, die er suchte. Er warf einen Blick auf Martin und reichte der Soldatin ein Kuvert. Die Frau zuckte mit den Schultern. Sie kehrte zum Tisch zurück und gab Martin das Kuvert. »Sie können Ihre Koffer zumachen und einchecken.«
»Was sollte das Ganze?«, fragte Stella Martin, sobald sie ihre Bordkarten hatten und mit der Rolltreppe hinauf in den großen Wartebereich
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