Die kalte Nacht des Hasses
weißt du, Leute wie Gianni Versace. Der war dort Stammgast, bevor dieser Typ ihn erschossen hat.«
Ich zog das Foto heraus, das ich in Hildes Wohnung gefunden hatte. »Ist er das?«
Brianna nahm das Bild. Sie nickte. »Ja, das ist Carlos. Sieht so aus, als wäre es vor ein paar Monaten aufgenommen worden. Er kennt sich gut aus mit Kameras.«
»Wie heißt Carlos’ Fitnesscenter?«
»The Ocean Club.«
»Lebt sie mit diesem Mann zusammen?«
»Sie ist für eine Weile in sein Strandhaus gezogen, aber am Ende war er zu besitzergreifend, also ist sie letzte Weihnachten wieder ausgezogen. Genau genommen am Neujahrsmorgen. Ich weiß das, weil ich an diesem Tag Bud kennengelernt habe.«
Brianna lächelte Bud verheult an und er lächelte zurück, aber als sein Blick auf meinen traf, war klar, dass er dasselbe dachte wie ich. »Ist dieser Carlos ihr gegenüber je gewalttätig geworden, du weißt schon, hat er sie geschlagen, gestoßen, angeschrien?«
»Ich bin ziemlich sicher, dass er sie ein paar Mal geschlagen hat, und ich weiß, dass er sie angeschrien hat, aber Hilde hat gesagt, das stimmt gar nicht, das hätte sie sich nie bieten lassen. Sie hat eine Menge Stolz und Selbstrespekt, und sie ist stark. Sie trainiert jeden Tag mit Gewichten und läuft drei Meilen.« Ich beobachtete ihr Gesicht und konnte genau sehen, als ihr die Tatsache klar wurde, dass ihre Schwester nicht stark genug gewesen war, den Mörder abzuwehren. Sie fing wieder an zu weinen und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Es lief nicht gut.
Bud legte einen Arm um sie und zog ihren Kopf an seine Schulter. Ich konnte kaum den schmerzlichen Ausdruck auf seinem Gesicht ertragen. Es zerriss ihn. Ich fuhr fort, versuchte aber, vorsichtig vorzugehen. »Hast du von Carlos Vasquez eine Adresse und Telefonnummer?«
»Ich glaube, es ist dieselbe wie damals, als sie mit ihm zusammenlebte. Sie ist diejenige, die gepackt hat und ausgezogen ist, als sie sich trennten. Wir beide haben zusammen ein nettes kleines Strandhaus an der Küste bei Hollywood, schön weit weg von all dem Kram, der in South Beach läuft. Dort hat sie allein gewohnt, seit ich hierher gezogen bin.«
»Okay.« Ich dachte einen Augenblick nach. »War sie in letzter Zeit hier? Vor dem Wettbewerb in Kansas City, ihrem letzten Sieg?«
Brianna nickte. »Sie hat immer ein oder zwei Wochen zwischen den Wettbewerben eingeplant. Sie war Anfang des Monats in San Diego, dann hat sie, glaube ich, eine Woche in Florida verbracht, bevor sie nach Kansas City geflogen ist. Der einzige Grund, aus dem sie sich zu dem Wettbewerb hier angemeldet hat, war, damit wir Zeit miteinander verbringen könnten. In den letzten drei Jahren hatten wir einander aus den Augen verloren. Sie fand es ein bisschen lächerlich nach den Großstadtauftritten. Ich habe vorgeschlagen, dass sie ein paar Tage früher kommt, damit sie Bud kennenlernen kann, insofern ist im Grunde wohl alles meine Schuld!«
Sie begann wieder zu schluchzen, und ich saß still da und sah zu, wie Bud sie beruhigte. Er machte das ganz gut, ich kam mir vor wie ein Störenfried in einem privaten, intimen Augenblick und wünschte mir, ich könnte aufstehen und gehen, aber das war nicht möglich. Ich hasste es, Freunde zu verhören, vor allem verstörte Freunde. Ich gab ihr noch etwas Zeit, sich zu beruhigen, und das tat sie dann auch.
Ich sagte: »Hatte Hilde denn noch andere Freunde, außer diesem Carlos?«
»Nein. In der Vergangenheit gab es natürlich andere, aber ich glaube, sie ist mit keinem von ihnen in Verbindung geblieben.«
»Waren die auch in Florida?«
»Ja, manche schon. Hilde und ich sind beide nach Miami gezogen, als wir aufs College gingen. Wegen der Strände. Wir haben beide die University of Florida besucht.«
»Wo habt ihr gelebt, bevor ihr nach Florida gezogen seid?«
Sie zögerte. »Maine. In einem kleinen Kaff kurz vor der Grenze zu Kanada.«
Bud schien diese Wendung des Gespräches zu interessieren. Ich ging also davon aus, dass er Dinge erfuhr, die er über Brianna noch nicht gewusst hatte.
»Und ihr zwei standet euch nahe?«
»O ja. Wir waren immer zusammen. Wir haben zusammen gewohnt und so, bis vor ein paar Jahren, als ich hierher gezogen bin.«
»Warum bist du hierher gezogen, Bri?«
Wieder ein kurzes Zögern. »Ich weiß auch nicht. Mir ging die Feuchtigkeit im Süden Floridas auf die Nerven. War nicht gut für mein Haar. Und es war mir auch zu voll, viel zu viele Leute, wohin man auch ging. Ich war mal für ein
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