Die Kalte Sofie
Etablissement verlassen. Und diesen Moment wollte sie auf keinen Fall verpassen.
Mochte Joe doch machen, was er wollte. Ab jetzt würde sie auf eigene Faust ermitteln. Und sich die Wartezeit in angenehmer männlicher Begleitung verkürzen – ätsch!
»Gerne! Ich bin beim Wettersteinplatz. Wenn Sie da was Nettes wissen?«
35
Dinner mit Hindernissen
A uberginenkaviar?
Hatte Sofie noch nie gehört, geschweige denn jemals ge gessen. Ebenso wenig wie hindbeh oder m akanek . Charly Loessl jonglierte so leichtzüngig mit den arabischen Begriffen, als habe er seine Kindheit in einem Beduinenzelt verbracht.
Irgendwann musste ihm ihr verdutztes Gesicht aufgefallen sein. Amüsiert begann er zu schmunzeln.
»Da hab ich Sie in einen seltsamen Schuppen geschleppt, was? Aber für mich gehört die libanesische Küche nun mal zu den besten der Welt. Und wenn Sie jetzt erfahren, dass ich uns als Entree gedünstete Löwenzahnblätter in Olivenöl und Zitrone sowie pikante Würstchen mit Pinienkernen bestellt habe, klingt das doch hoffentlich schon viel appetitanregender, oder nicht?«
Das Lächeln des rundlichen Obers wurde noch breiter. Mit seinem hellen Hemd, der roten Schärpe um die beachtliche Leibesmitte und der bräunlichen Haut, die wie poliert schimmerte, hätte er auch als Haremswächter eine gute Figur gemacht.
»Für die Hauptspeise könnt isch Ihnen farride anbieten«, säuselte er. »Vom Rost – für zwei Personen.«
»Eine Dorade. Wunderbar. « Charly nickte. »Sie mögen doch hoffentlich Fisch, Frau Dr. Rosenhuth?«
Sofie nickte verhalten und trank einen Schluck Wasser. Der Laden war ihr immer noch alles andere als geheuer. Zumindest hatte sie den Eingang zur Schwulensauna von hier aus bestens im Blick. Dafür war sie sogar bereit, das Kosten unbekannter arabischer Spezialitäten auf sich zu nehmen.
»Schmeckt Ihnen der Wein nicht?«, erkundigte ihr Gegenüber sich besorgt. »Ich dachte, so ein frischer Rosé wäre genau das Richtige an so einem schönen Maiabend.«
»Doch, doch«, sagte sie schnell. »Mir geht nur so viel durch den Kopf. Da halt ich mich lieber a bissl zurück.«
»Manchmal wird es leichter, wenn man redet.« Sein Blick ruhte auf ihr, aufmerksam und warm. »Ich kann ganz gut zuhören. Behaupten jedenfalls meine Freunde.«
»Und morgen steht’s dann in der Zeitung?«
Er lehnte sich zurück.
»Zu der Sorte gehöre ich nicht«, sagte er. »Job und Privates sind für mich zwei getrennte Baustellen. Tja – der Typ kann ja viel behaupten, werden Sie jetzt denken. Aber vielleicht geben Sie mir eine Chance, meine Diskretion unter Beweis zu stellen.«
Sie lächelte, unverbindlich, wie sie hoffte.
Salat und Würstchen wurden serviert, dazu ein Korb mit noch warmem, knusprigem Fladenbrot. Der Haremswächter füllte ihre Teller, dann zog er sich mit einer kleinen Verneigung wieder zurück.
Unauffällig sah Sofie prüfend aus dem Fenster, wohl zum hundertsten Mal, wie ihr schien. Ein paar Herren hatten das Etablissement von Herrn Schlegl in der letzten halben Stunde betreten, zwei jüngere Männer hatten es wieder verlassen.
Vom Geschäftsführer – keine Spur.
Charly blieben Sofies verstohlene Blicke nicht verborgen.
»Warten Sie auf jemanden?«
»Ich? Nein.« Sie schüttelte den Kopf und spürte angespannt, dass sie dabei errötete. Zefix, was für eine schlechte Lügnerin sie doch war!
Hastig pickte sie in den Salat.
Ein Potpourri unterschiedlichster Aromen entfaltete sich auf ihrer Zunge, würzig, scharf und süß zugleich. Nach Sommer schmeckte das, nach Mittelmeer, nach Orient, nach Ferne.
»Wow«, murmelte sie überwältigt und griff nach einem Würst chen. »Des is ja pfenningguad!«
»Freut mich.« Strahlend nickte er. »Ja, fast genauso gut wie in Beirut.«
Erstaunt sah Sofie auf. »Sie haben im Libanon gelebt?«
»Eine ganze Weile. Zweitausendsechs, vor Ausbruch des zwei ten Krieges, bin ich dann wieder nach München gekommen – und bei der Zeitung als Polizeireporter gelandet.« Er schmunzelte versonnen. »In gewisser Weise also fast dasselbe, was ich im Nahen Osten gemacht habe …« Aufmerksam musterte er sie mit seinen graugrünen Augen. »Und wie geht’s Ihnen so, als gerade frisch in die Heimat Zurückgekehrte? Haben Sie sich schon wieder in München eingelebt?«
Sofie zögerte.
»Ja und nein. An einem Tag kommt’s mir so vor, als wär ich niemals fort gewesen, am nächsten merk ich sehr wohl, dass vieles sich verändert hat. Zwei Jahre sind halt kurz und
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