Die Kalte Sofie
ernst sogar. Wollte sie das überhaupt?
Aber war es nicht ohnehin schon zu spät, um darüber noch lange zu grübeln?
Sie nahm die Krawatte und schlang sie George um den knöchernen Hals.
»Ich glaub, er mag den neuen Schlips.« Sie wich dem eindringlichen Blick der graugrünen Augen bewusst aus. »Und das Essen gestern war übrigens pfundig.« Sie zögerte, dann redete sie mutig weiter. »Und alles andere auch. So viel hab ich schon lang nicht mehr gelacht.«
»Ging mir ähnlich.« Charly machte einen kleinen Schritt nach vorn, was in Sofie leise Panik hochsteigen ließ.
Er hatte doch nicht etwa vor, sie zu küssen – ausgerechnet hier?
Sie wich zurück und stieß dabei mit dem Rücken an das wackelige Regal. Ein Bücherhaufen, dem die Stütze abhanden gekommen war, fiel in sich zusammen. Sofie duckte sich, um dem Hagel von Gedrucktem auszuweichen.
»Stör ich?« Plötzlich stand Spike in der Tür. Auf seinen erstaunten Blick angesichts der merkwürdigen Situation reagierte Sofie lieber nicht.
»Natürlich nicht. Was gibt’s denn?« Sie klammerte sich an den Schreibtisch und hoffte, dennoch einigermaßen cool zu wirken.
»Interessante Ergebnisse aus der Wohnung von diesem Jan Schmidt.« Spike schaute fragend zu Charly, der ihm freundlich zunickte. »Oder soll ich lieber später wiederkommen?«
»Passt scho«, sagte Sofie und musste plötzlich grinsen, weil sie an die absurde Situation in der Kantine dachte. »Charly … Ich mein, Herr Loessl ist zu hundert Prozent diskret.«
»Also gut.« Spike musterte Sofie mit leichter Skepsis, dann zückte er einen Zettel. »Es ging ja immer noch um das fragliche Material auf der zweiten Zahnbürste. Du wirst es ned glauben, Sofie, aber die DNA auf der Bürschtn deckt sich zweifelsfrei mit der von diesem …«
»Siebert«, riefen Sofie und Charly wie aus einem Mund.
»Bingo.« Leicht irritiert schaute Spike von einem zum anderen. So viel Gleichklang war ihm unheimlich.
»Dann waren die beiden also ein Paar«, sagte Sofie mit leuch tenden Augen. »Der Herr Ministerialdirigent und der verbrannte Ukrainer Jan Schmidt, dessen Name Siebert angeblich nichts sagt …«
»Wären sicherlich hübsche Schlagzeilen: CSU -Bonze homo se xuell? D ie Abgründe des Konstantin Siebert «, sagte Charly schmunzelnd. »Sodom und Gomorrha in der Bayerischen Staatskanzlei.«
Misstrauisch hob Sofie die Augenbrauen. Wie bitte? Er würde doch nicht etwa …
Beschwichtigend hob Charly die Hände und tat, als würde er seine Lippen versiegeln. »Keine Sorge! Von mir wird die Öffentlichkeit nichts erfahren. Jedenfalls, solang du nicht dein Okay dazu gibst. Heiliges Ehrenwort!«
Ihre Blicke trafen sich. Du Schlaumeier, dachte Sofie und musste innerlich grinsen. Doch schnell wurde sie wieder ernst.
»Demnach könnte es also sein, dass Siebert es war, der seinen toyboy um die Ecke gebracht hat …«, überlegte sie laut weiter. »Vielleicht eine Eifersuchtsgeschichte? Oder weil dieser Jan irgendwas ausplaudern wollte, was dem Herrn Ministerialdirigenten nicht gepasst hat?«
»Nicht so hastig!«, rief Spike und schwenkte den Zettel in seiner Hand. »Ich hab hier ja auch noch ein zweites Analyseergebnis, das ich unbedingt loswerden muss – und das dir leider gar nicht schmecken wird: Die Fingerabdrücke auf Sieberts Löffel sind nämlich nicht identisch mit denen auf der Wodkaflasche, die du in Harlaching im Garten gefunden hast.«
Shit .
»Sicher?«, murmelte Sofie stirnrunzelnd.
»So sicher wie das Amen in der Kirche«, bekräftigte Spike. »Ich hab die Probe extra zweimal durchlaufen lassen. Und jetzt muss ich leider wieder los. In der Tox stapelt sich’s mal wieder. Servus derweil. Und viel Erfolg beim Rätseln!«
Ein kurzes Nicken in Charlys Richtung, dann verließ er Sofies Kabuff.
»Na super.« Seufzend ließ Sofie sich auf ihren quietschenden Drehstuhl fallen, griff nach einem Bleistift und begann an ihm zu nagen. »Wär ja auch zu schön gewesen! Das bedeutet …«
»… dass du auf jeden Fall den leitenden Ermittler des Mordkommissariats kontaktieren solltest«, bemerkte Charly mit verhaltenem Lächeln.
Sofie nickte stirnrunzelnd. Natürlich. Auch wenn ihr gerade gar nicht danach war, dessen Stimme zu hören. Ein kurzer Blickwechsel mit Charly, dann griff sie zögernd nach dem Telefon und wählte.
»Servus, Joe. Ich bin’s. Sofie.«
»Du? Mit dir hätt ich heut allerdings am wenigsten gerechnet.«
Sofie überhörte die Spitze und versuchte, einen möglichst
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