Die Kalte Sofie
Bonbon.
52
Ménage à trois
B ehutsam prüfte Sofie den Verband um Joes rechten Oberarm. Gott sei Dank nur eine Fleischwunde, hatte der Kollege im Klinikum Rechts der Isar gesagt. Auch die zahlreichen Schnittverletzungen am Rücken und die Schrammen im Gesicht würden zum Glück bald verheilen. Eine Tetanus-Spritze zur Sicherheit, eine Schlinge für den Arm, dann hatte Joe wieder gehen dürfen.
»Noch ein Kissen?«, fragte sie besorgt und zupfte an der Decke, die sie soeben über seine Knie gebreitet hatte.
»Gerne«, sagte ihr Ex mit schmerzverzerrtem Gesicht und wand sich stöhnend in Sofies altem Ohrensessel.
Na gut, ganz so schlimm waren die Schmerzen auch wieder nicht. Aber ein bisschen Theater war ja wohl noch drin. Zumal Sofie sich so anschmiegsam und liebevoll zeigte wie schon seit Jahren nicht mehr.
Prompt verschwand sie in ihrem Schlafzimmer und kehrte kurz darauf mit ihrem aufwendig bestickten Lieblingskissen aus antiker rosa Seide wieder zurück.
Joe hob erstaunt die Augenbrauen, ihre Blicke trafen sich.
»Du hast es noch immer«, murmelte er gerührt.
Zu Sofies dreißigstem Geburtstag hatte er ihr das kostbare Teil geschenkt, nachdem er mitbekommen hatte, wie sie sich wochenlang immer wieder vor der Auslage des Einrichtungsgeschäfts am Lenbachplatz die Nase platt gedrückt hatte.
Danach hatte das Kissen Sofie Tag und Nacht begleitet, beim Lernen, beim Lümmeln auf dem Sofa, auch im gemeinsamen Schlafgemach. Und sogar an jenem unheilvollen Abend vor gut zwei Jahren: Als Sofie die Tür hinter ihrer Wohnung – und ihrer Ehe – hatte zufallen lassen, war es der einzige Gegenstand gewesen, den sie mitgenommen hatte.
Sofie errötete und senkte den Blick, dann stopfte sie es rasch in Joes Rücken und drückte es zurecht.
»Logisch«, sagte sie betont knapp. »Warum ned? Des oide Trumm kann ja nix dafür, dass es bei uns zwoa dermaßen gscheppert hat, oder?«
Doch ihr verlegener Blick sprach eine ganz andere Sprache.
Während sie sich über ihn beugte, zog Joe sie näher zu sich.
»Du, Sofie, es – tut mir echt leid, dass ich dir unrecht getan hab. Grad wia die Axt im Wald hab ich mich benommen. Dabei hast von Anfang an recht ghabt, was den sauberen Herrn Ministerialdirigenten und seine Gattin betrifft. Kannst du mir bitte a letztes Mal verzeihen?«
Sofie schluckte.
Ihre Gesichter waren nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt. Da war er wieder, der vertraute Duft nach Pfefferminz und Calvin Klein …
In diesem Moment war vom Flur her Joes Handy zu vernehmen, mit einer schmissigen Polkamelodie, die die beiden abrupt in die Gegenwart zurückholte.
Beinahe erschrocken fuhren sie auseinander.
»Verzeihung, dass ich störe …«
Charly Loessl kam aus der Küche, Joes zerfetzte Lederjacke in der Hand, in deren Brusttasche das Handy unerbittlich dudelte.
»Soll ich für Sie drangehen, Herr Lederer?«
»Schmarrn! Reden kann ich ja schließlich noch.«
Unwillkürlich bewegte Joe den verletzten Arm in der Schlinge, und diesmal war es echter Schmerz, der ihn stöhnend in den Sessel zurückfallen ließ. Trotzdem – insgeheim genoss er die Sorge, die in Sofies Augen aufflackerte.
Dann streckte er den gesunden linken Arm aus.
»Gebens nur her, Herr Loessl!«
Während Charly Joe das Handy reichte, kreuzten sich seine Blicke mit denen von Sofie. Hatte er mitbekommen, dass sie und ihr Ex sich um ein Haar geküsst hätten? Seinem unergründlichen Lächeln war jedenfalls nichts anzumerken.
»Das Wasser kocht übrigens schon. Der Tee ist gleich fertig.«
»Danke, Charly.«
Verlegen strich Sofie sich die verstrubbelten Haare aus der Stirn. Nicht nur ihre widerspenstigen Locken, auch ihre Gefühle befanden sich in heillosem Durcheinander.
Ja, sie war hingerissen von diesem seltsamen, galanten Polizei reporter, der ebenso behutsam wie nachdrücklich um ihre Zuneigung warb, ohne viele Worte, dafür mit umso deutlicheren Gesten. Nicht nur in Form von originellen Präsenten, Picknickkörben mit ausgesuchten Leckereien oder abenteuerlichen, halb legalen Exkursionen in die Bayerische Staatskanzlei. Cool war er in der Harlachinger Villa zwischen die beiden Männer gegangen, hatte Siebert ausgeknockt, Sofies Ex auf die Beine geholfen und ihn anschließend zur Ambulanz gefahren.
Das würde sie ihm niemals vergessen.
Falls Sofie bis heute früh noch Zweifel gehabt hatte, so stand jetzt endgültig fest: Charly Loessl war nicht nur ein vollendeter Gentleman, sondern ein Mann, mit dem man Pferde
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