Die kalte Spur
Lupe zu nehmen.«
»Wie kamen Sie eigentlich darauf, daß Esther Ordway Cathays Tochter sei?«
»Ich beobachtete sie beim Sprechen und merkte, daß sie nervös war und Lügen auftischte. Mir wurde sehr bald klar, daß sie diese Lügen sorgfältig einstudiert hatte. Obwohl das Lügengewebe durchaus nicht undurchdringlich war, hatte man es ihr eingepaukt, damit sie die Ermittlungen so lange aufhalten konnte, bis eine gewisse Angelegenheit erledigt wäre.«
»Und was meinen Sie mit dieser gewissen Angelegenheit?« Griff zuckte die Achseln.
»Wer weiß, vielleicht ist sie schon erledigt. Aber halten wir uns nicht mit Rekonstruktionen auf, bis wir alle Fakten in der Hand haben. Wir sind übrigens am Ziel. Da drüben ist East Elm Street 922. Ich glaube, hier ist für uns einiges zu holen.« Er gab dem Taxichauffeur die Anweisung zu warten und ging mit Bleeker auf das Haus zu. In früheren Zeiten mußte es einmal eine vornehme Privatvilla gewesen sein. Mittlerweile aber war es in möblierte Appartements aufgeteilt worden. »Wollen wir uns beim Hauswart erkundigen, wo Blanche Stanway wohnt?« fragte Bleeker.
»Ich glaube, das wird nicht nötig sein«, erwiderte Griff und ging voran. Drinnen im Hause stiegen sie eine Treppe empor. Plötzlich blieb Griff stehen und horchte. Aus einem Zimmer am Ende des Korridors drang undeutliches, erregtes Stimmengewirr.
»Dort hinten muß es sein«, sagte er und ging auf Zehenspitzen zu der Tür. Drinnen redete eine Frau. Es war aber nicht zu verstehen, was sie sagte. Griff drückte die Klinke lautlos herab und stieß dann die Tür auf.
Eine üppige Frau mit harten, grünen Augen und strähnigem Haar saß auf einem Sessel. Um ihren Mund spielte ein höhnisches Lächeln.
Am Fenster stand in schwarzer Trauerkleidung Mrs. Frank B. Cathay. Sie sah bleich und verzweifelt aus.
Neben ihr stand, vierschrötig und rot vor Zorn, der Detektiv Carl Racine.
»Stören wir?« sagte Griff in munterem Ton.
Alle starrten ihn an. Mrs. Cathay machte ein bestürztes Gesicht. Racine biß sich auf die Lippen. Die Frau im Sessel betrachtete die Eindringlinge mit neugierigen Blicken.
»Wir möchten gern ein paar Fragen an Mrs. Blanche Stanway richten«, sagte Griff. »Aber vielleicht hat sie es lieber, wenn man sie Mrs. Blanche Malone nennt.«
Das Gesicht der Frau wurde eisig. »Ich kenne keine Blanche Malone. Mein Name ist Blanche Stanway. Was wünschen Sie?«
»Warten Sie gefälligst draußen auf dem Korridor!« fauchte Racine. »Wir sind hier noch nicht fertig. Diese Unterredung geht Sie nichts an.«
Griff lächelte überlegen.
Carl Racine ging mit drohender Miene auf ihn zu. »Verschwinden Sie!« zischte er. »Ich habe hier eine private Unterredung.«
Dan Bleeker, der dreißig Pfund weniger wog als der hünenhafte Detektiv, steuerte kampflustig auf ihn zu.
»Versuchen Sie nur, uns hier hinauszuwerfen!« sagte er mit gepreßter Stimme. »Dann können Sie Ihre Vorderzähne einzeln verspeisen!«
»Mr. Bleeker«, bemerkte Griff in ruhigem, souveränem Ton, »ist der Verleger des Blade. Und als Vertreter seiner Zeitung ist er an diesem Gespräch ebenso interessiert, wie die Polizei es sein dürfte. Ich glaube kaum, Mr. Racine, daß Ihr Auftreten zweckdienlich und im Interesse von Mrs. Cathay ist.« Racine warf Bleeker einen haßerfüllten Blick zu und ließ dann seine Augen zu Griff hinüberwandern.
Mrs. Cathays Lippen waren bleich geworden. Ihre Nasenflügel bebten.
»Ich vermute«, sagte sie, »daß Sie mich jetzt am liebsten um Gnade betteln sehen würden. Aber Sie irren sich. Ihre abscheuliche Zeitung ist und bleibt mir gänzlich einerlei.«
»Wie kommen Sie hierher?« fragte Racine.
»Das möchte ich Sie fragen«, erwiderte Griff grinsend.
Mrs. Cathay wandte sich plötzlich der Frau mit dem harten Gesicht zu, die im Sessel saß und mit argwöhnischen Blicken Griff und Bleeker betrachtete: »Wenn Sie jetzt reden, erweisen Sie sich selbst einen schlechten Dienst!«
Griff blickte die Frau auf dem Sessel durchbohrend an. »Und wenn Sie jetzt schweigen, geraten Sie in eine äußerst fragwürdige Lage.«
Die Frau lachte. Es klang rauh und kehlig.
»Ach, du meine Güte!« rief sie. »Wie wichtig ich plötzlich werde. Aber ich werde den Mund halten - nicht weil sie es will sondern weil ich mir einen Rechtsanwalt nehmen werde. Der wird dann für mich sprechen.«
»Wer ist Ihr Anwalt?« fragte Griff.
»Das weiß ich noch nicht. Aber ich werde einen engagieren.«
»Die Polizei dürfte sich
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