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Die Kalte Zeit

Die Kalte Zeit

Titel: Die Kalte Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kliem
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unangenehm schrille Stimme von Herta Wenningsen, Kassiererin des Supermarktes, drang zu Gesa durch.
    »Wieso? Wer?«, fragte ihre Mutter.
    Herta wartete ab, bis alle Umstehenden ihr die volle Aufmerksamkeit schenkten. »Rocco Graupner ist mit dem Motorrad geblitzt worden«, sagte sie in triumphierendem Ton, als habe sie selbst ihn mit der Infrarot-Kamera erwischt. »Da vorne auf der Landstraße 361. Geschwindigkeitsüberwachung mit Radargerät und Anhalten. Um Ein Uhr nachts.« Sie senkte die Stimme. »Meine Schwägerin sitzt in der Bußgeldstelle. Sie weiß, dass ich ihn kenne und hat’s mir erzählt.«
    »Hast du das gehört, Gesa?« Anna wischte sich die Hände an der Schürze ab. »Das solltest du Lars Schäffer sagen. Das kann doch kein Zufall sein. Rocco Graupner war zur Tatzeit in der Nähe.«
    Gesa spürte, wie sich die Blicke aller auf sie richteten. Wie die Geier standen sie um Gesa herum, um ja nicht ihre Reaktion zu verpassen und das Gehörte und Gesehene nachher im Ort verbreiten zu können.
    Gesa packte ein paar Zweige und umwickelte sie mit Band zu einem Drei-Kilo-Bund. »Das wird die Polizei längst wissen«, sagte sie so ruhig wie sie konnte. »Und es beweist überhaupt nichts. Außer, dass Rocco zu schnell gefahren ist.«
    Ein Polizeiwagen bog in den Hof ein. Die Tür öffnete sich und Lars stieg aus. Gesa presste das Tannengrün mit den Fingern zusammen. Sie hatte sich gefragt, wann sie Lars wieder sehen würde. Nun trafen sie sich vor den größten Tratschtanten aus ganz Büttgen.
    Lars musste sich zwischendurch rasiert haben, seine Wangen waren hell und glatt. Er kam mit ernstem Gesicht auf Gesa zu und grüßte mit einem knappen »Tag!« in die Runde. »Gesa, ich muss dich kurz sprechen. Wo können wir . . .« Er sah sich um.
    »Gehen wir am besten ins Haus«, sagte sie. Sie überquerten den Hof, im Rücken die neugierigen Blicke der Frauen. Dann saßen sie an Gesas Küchentisch. Lars’ Augen schweiften durch den Raum, blieben kurz an der Schale mit Nordmannsamen hängen, verweilten länger an den Zeigern der Uhr über der Anrichte.
    »Gesa, der Grund, warum ich hier bin . . .« Er zögerte. Gesas Herz schlug schneller. »Ich brauche von euch allen Aussagen zu einem Alibi für gestern Nacht.«
    »Was?« Der Satz traf sie so unvermittelt, dass sie nicht sicher war, ihn richtig verstanden zu haben.
    »Herbert Graupner hat Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Er hatte die ersten Paletten mit Nordmanntannen zur Verkaufsstelle vors Rathaus gebracht. Und letzte Nacht war jemand dort und hat sie mit Diesel bespritzt. Wie eure Paletten.«
    »Wieso vors Rathaus?«, fragte Gesa. »Ihm wurde die Genehmigung doch entzogen, dort zu verkaufen? Vater sagt . . .«
    »Gesa!«, unterbrach sie Lars. »Nicht alles was dein Vater sagt, stimmt. Graupner hat inzwischen eine Sondernutzungserlaubnis bekommen. Und so wie sich die Dinge im Moment darstellen . . . Ich muss deine Aussage aufnehmen, und du musst sie mir unterschreiben.« Umständlich kramte er ein Formular aus seiner Aktentasche.
    »Du . . .?« Gesa rang nach Worten. »Du glaubst, wir hätten . . .?« Sie konnte den Satz nicht vollenden. Nun wendete sich der Verdacht, den Konrad gegen Graupner geschürt hatte, gegen ihre eigene Familie. War Konrad gestern Nacht nach Büttgen gefahren? Oder etwa Wolf? Aber das hätte sie mitbekommen müssen. Sie hatte wach gelegen. Außer den schreienden Krähen hatte sie nichts gehört. Aber vielleicht war sie zwischendurch doch eingenickt, ohne es zu merken?
    Lars sah an ihr vorbei. »Gesa, mir macht das auch keinen Spaß. Aber die Ermittlungen . . . Das musst du verstehen. Ich kann mich ja nicht raushalten.«
    24. November
    »Steig ein und schnall dich an.« Gesa scheuchte Felix in den Wagen. »Ich hab’ nicht so viel Zeit.«
    »Mama, darf ich das Hundebaby heute schon mitnehmen?«
    »Nun warte mal ab, was die Steffens sagen.«
    Gesa fuhr durch Büttgen, das am Nachmittag schon wie ausgestorben wirkte. Ab vier Uhr setzte die Dämmerung ein. Im Supermarkt standen ein paar Leute an der Kasse. Christine Olpitz, mit der Gesa in einer Klasse gewesen war, trat mit zwei Tüten in der Hand aus der Tür. Gesa hupte und winkte ihr zu. Gerade wurde ein Parkplatz frei. Sie lenkte den Wagen in die Lücke.
    Felix rutschte auf dem Rücksitz herum. »Mama, was machst du denn?«
    »Ich muss kurz in ein Geschäft. Ich suche ein Geschenk für Oma zu Weihnachten. Wenn der Verkauf im Hofladen richtig losgeht, komm ich ja nicht mehr

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