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Die Kalte Zeit

Die Kalte Zeit

Titel: Die Kalte Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kliem
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Lars? War er geschickt worden, um ‚die Fakten aufzunehmen‘, wie der Beamte im Streifenwagen angekündigt hatte, der im Morgengrauen hier gewesen war? Ausgerechnet Lars?
    Gesa lief hinunter und durchquerte den Flur ihrer Eltern. Vor dem fast blinden Spiegel ordnete sie mit zitternden Fingern ihr Haar. Dann trat sie auf den Hof. Wolf hatte sein Handy weggesteckt und sprach mit Lars. Nun wandten sich ihr beide Männer zu.
    »Hallo Gesa«, sagte Lars.
    »Guten Morgen.« Gesa streckte ihm ihre Hand entgegen.
    Lars ergriff sie, seine Finger waren kalt wie ihre eigenen.
    »Was machst du denn hier . . . bist du für unsere Gegend zuständig?«
    »Ja, ich bin seit kurzem bei der Kripo in Kaarst, im Regionalkommissariat. Tja. Das ist wirklich ein Zufall.«
    »Sie kennen meine Frau?«, fragte Wolf.
    »Ja, wir sind zusammen zur Schule gegangen. Ich stamme auch aus Büttgen.« Lars trat einen halben Schritt zurück. »Also gut . . . Herr Hendricks, erzählen Sie weiter. Haben Sie was gehört? Ist Ihnen irgendwas aufgefallen?«
    Wolf kratzte sich im Nacken. »Wie gesagt, ich selbst hab nichts mitbekommen. Aber Gesa konnte nicht schlafen. Sie hatte sich zu Felix ins Bett gelegt, hier auf der Hofseite und . . .«
    »Die Krähen«, sagte Gesa.
    »Was?« Nun sah Lars sie an. Sein Gesicht war gerötet von der morgendlichen Kälte.
    »Der Hund lag da.« Gesa zeigte auf die Stelle, wo sie Hasko gefunden hatte. »Er hat die Krähen angelockt.«
    »Der Hund war tot?«, fragte Lars.
    »Ja, vergiftet. Er hatte Schaum vor dem Maul.«
    »Wo ist er jetzt?«
    »Wolf hat ihn hinter die Scheune gelegt, damit Felix ihn nicht sieht.« Lars’ und ihre Augen begegneten sich wieder für einen kurzen Moment. »Felix ist unser Sohn.«
    »Der Hund hat vorher nicht angeschlagen?«
    »Hasko war stocktaub, das hab ich schon lange gesagt. Sonst hätte er diese Schweine hören müssen«, meinte Wolf. »Die Weihnachtsbaumkultur ist nur ein paar Meter vom Haus entfernt.«
    Wolf führte Lars zu den Tannen. Gesa blieb hinter ihnen und hielt den Blick gesenkt. Sie fühlte sich dem Anblick der zerstörten Bäume nicht gewachsen.
    »Wie groß ist der Schaden?«, fragte Lars.
    Wolf fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »In der Kultur stehen siebentausend Nordmänner, Großhandelspreis im Schnitt zwanzig bis fünfundzwanzig Euro; also um die Hundertfünfzigtausend.«
    Lars schüttelte den Kopf. »Und was machen Sie jetzt? Ich meine, haben Sie noch andere Nordmanntannen?«
    »Nur welche unter einem Meter fünfzig«, sagte Wolf. »Die sind noch zu klein, die will kaum einer. Die Blaufichten und die Coloradotannen haben nichts abbekommen. Aber die reichen nicht. Die meisten Kunden wollen eine Nordmann. Und die holen sie sich jetzt bei der Konkurrenz.«
    Er sah sich nach Gesa um. Als sie zu ihm trat, legte er seinen Arm schwer auf ihre Schulter. »Das Weihnachtsgeschäft ist für uns gelaufen.«
    »Zahlt denn die Versicherung?« Lars taxierte mit zusammen gekniffenen Augen die Front des Wohnhauses, als wolle er den Wert des Gebäudes abschätzen.
    Wolf schüttelte den Kopf. »Nur bei Feuer- oder Hagelschäden. Vandalismus ist in unserer Branche kein Thema.«
    »Was ist mit Diebstahl?«, fragte Lars.
    Wolf wehrte mit einer Handbewegung ab. »Vielleicht hundert Bäume insgesamt jedes Jahr, mal aus den Kulturen raus geschnitten, mal bei den Verkaufsstellen übern Zaun geworfen. Kunden, die ein paar Kröten sparen wollen. Das passiert überall. Aber so was wie das hier . . .« Er zeigte in die Richtung der Tannen, ». . . das hier ist neu.«
    Gesa betrachtete die Atemwolken, die sich bei jedem Wort vor Wolfs Mund bildeten. Sie zog ihre Strickjacke enger um den Körper.
    »Das waren Profis«, sagte sie. »Fast siebentausend Bäume auf einen Schlag. Da brauchst du mindestens drei, vier Leute. Sie müssen Felcoscheren oder Macheten gehabt haben.«
    Lars Schäffer bückte sich und hob eine Tannenspitze auf. Die Schnittstelle war schräg, eine saubere, glatte Kante.
    »Und sie haben sich an die Qualitätsbäume gehalten. Gesa hat Recht, die kannten sich aus.« Wolfs Hand lag noch immer auf ihrer Schulter. »Ich rufe Hellmann an. Was wir noch haben, ist dritte und vierte Wahl. Er muss dieses Jahr was drauf legen. Das muss er einsehen. Und wenn nicht, dann biete ich den Baumärkten in Kaarst und . . .«
    Wolf unterbrach sich, als Konrads alter Mercedes in den Zufahrtsweg einbog. Gesa schluckte. Die letzte Begegnung zwischen Lars und ihrem Vater war dreizehn Jahre her.
    Konrad

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