Die Kameliendame
Liebe ist, das einen Mann mit einem Mädchen wie mich verbindet. Wer weiß, vielleicht siehst du dann eines Tages, wenn ich dich langweile oder dir im Wege bin, in unserer Verbindung eine Berechnung. Prudence ist eine Klatschbase. Was brauche ich diese Pferde noch? Es war doch vernünftig, sie zu verkaufen. Ich kann sie entbehren und sie kosten mich nichts mehr. Wenn du mich liebst, und mehr will ich nicht, dann wirst du mich auch lieben ohne Pferde, Mantillen und Diamanten.' Alles das war so herzlich gesagt, da mir bei ihren Worten Tränen in die Augen traten. ,Aber, meine liebe Marguerite', antwortete ich und preßte liebevoll die Hände meiner Geliebten, ,du wußtest doch, daß ich es eines Tages erfahren und es nicht dulden würde.' ,Warum nicht?'
,Deshalb, mein liebes Kind, weil ich nicht will, daß dein Gefühl für mich dich auch nur eines Schmuckstückes beraubt. Ich will nicht, daß du bei ernsthaftem Nachdenken vielleicht einmal sagst, es wäre, wenn du mit einem anderen Mann zusammengelebt hättest, nicht soweit gekommen. Und daß du später nicht einen Augenblick lang bereust, mit mir zusammenzuleben. In wenigen Tagen wirst du deinen Schmuck, deine Mantillen und deine Pferde wieder haben. Du brauchst sie ebenso notwendig zum Leben wie die Luft. Und es ist vielleicht lächerlich, aber ich liebe dich mehr, wenn du alles im Überfluß hast, als wenn du einfach bist.' ,Also liebst du mich nicht mehr.' ,Du bist toll.'
,Wenn du mich liebtest, würdest du mir erlauben, dich auf meine Art zu lieben. Du würdest in mir nicht immer noch das Mädchen sehen, dem Luxus unentbehrlich ist, für den zu zahlen du dich verpflichtet fühlst. Du schämst dich, Beweise meiner Liebe anzunehmen. Wenn du es auch vor dir selbst nicht zugeben willst, so denkst du doch daran, mich eines Tages zu verlassen, und du willst jetzt schon schonend und taktvoll einen Mantel über deine Ahnung breiten. Du hast recht, mein Freund, aber ich hatte mehr erhofft.'
Marguerite machte eine Bewegung, als wollte sie aufstehen. Ich hielt sie zurück und sagte zu ihr:
,Ich will nur, daß du glücklich bist und mir nichts vorzuwerfen hast, das ist alles.' ,Dann werden wir uns also trennen?' ,Warum, Marguerite? Wer könnte uns trennen?' rief ich. ,Du, weil du mir nicht erlaubst, daß ich weiß, wie deine Vermögenslage ist. Und weil du dir einbildest, du könntest meine Schulden tilgen. Du, weil du willst, daß ich den Luxus beibehalte, der die moralische Schranke zwischen uns aufrechterhält. Du, weil du glaubst, mein Gefühl für dich sei nicht uneigennützig genug, um dein Vermögen mit mir zu teilen, von dem wir glücklich zusammenleben könnten. Du richtest dich lieber zugrunde, weil du ein lächerliches Vorurteil hast. Denkst du denn, ein Wagen und Schmuck sei ebensoviel wert wie deine Liebe? Glaubst du, Glück bestehe für mich in den hohlen Eitelkeiten, mit denen man sich zufriedengibt, wenn man niemanden liebt, die aber überflüssig werden, wenn man liebt? Du wirst meine Schulden zahlen, wirst dein Vermögen verschleudern und mich aushalten! Wie lange wird das dauern? Zwei oder drei Monate! Und dann ist es zu spät für das Leben, das ich dir vorschlage. Denn dann müßtest du alles von mir annehmen, und das kann ein Mann mit Ehrgefühl nicht. Dagegen hast du jetzt acht- oder zehntausend Francs Einkommen, damit können wir leben. Ich verkaufe meine überflüssige Habe, und damit kann ich jährlich zweitausend Francs beisteuern. Wir mieten uns eine hübsche kleine Wohnung. Im Sommer gehen wir aufs Land, nicht in ein Haus wie dieses, sondern in ein bescheideneres, das für zwei Personen ausreicht. Du bist unabhängig, ich bin frei, wir sind jung, mein Gott, Armand, stoße mich nicht in das Leben zurück, das ich früher führen mußte.'
Ich konnte nicht antworten, Tränen der Dankbarkeit und der Liebe verschleierten meinen Blick. Ich warf mich in Marguerites Arme.
,Ich wollte', fuhr sie fort, .alles in die Wege leiten, ohne dir etwas zu sagen. Ich wollte meine Schulden bezahlen und die neue Wohnung einrichten. Im Oktober wären wir nach Paris zurückgekehrt. Dann hätte ich dir alles gesagt. Aber da Prudence nun alles ausgeplaudert hat, mußt du schon vorher deine Zustimmung geben, statt hinterher. Ist dafür deine Liebe groß genug?'
Es war unmöglich, diesen Mitteilungen zu widersprechen. Ich küßte ergriffen Marguerites Hände und sagte: ,Ich tue alles, was du willst.'
Es wurde also beschlossen, ihre Pläne auszuführen. Sie war von
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