Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
behaupten, der Große Unbekannte hätte es getan, weil der Große Unbekannte nie erwähnt worden ist.«
    »Ich weiß. Aber ich würde es trotzdem tun.«
    »Es würde nicht funktionieren. Hör auf, nach dem Großen Unbekannten zu suchen.«
    »Wer ist er?«
    »Er existiert nicht.«
    »Doch, das tut er.«
    »Wieso bist du so sicher?«
    »Weil ich glauben möchte, daß du unschuldig bist, Sam. Das ist sehr wichtig für mich.«
    »Ich habe dir gesagt, daß ich unschuldig bin. Ich habe die Bombe gelegt, aber ich hatte nicht die Absicht, jemanden umzubringen.«
    »Aber weshalb hast du die Bombe gelegt? Weshalb hast du das Haus der Finders, die Synagoge und das Maklerbüro in die Luft gesprengt? Weshalb hattest du es auf unschuldige Leute abgesehen?«
    Sam paffte nur und schaute auf den Boden.
    »Weshalb hast du gehaßt, Sam? Weshalb fiel es dir so leicht? Weshalb ist dir beigebracht worden, Schwarze und Juden und Katholiken zu hassen und jedermann sonst, der ein bißchen anders war als du? Hast du dich das jemals selbst gefragt?«
    »Nein. Ich habe es auch nicht vor.«
    »Also hat es einfach in dir gesteckt, stimmt's? Es lag in deinem Charakter, deinem ganzen Wesen, genau wie deine Größe und deine blauen Augen. Es war etwas, womit du geboren wurdest und woran du nichts ändern konntest. Es steckte in den Genen, die du von deinem Vater und deinem Großvater geerbt hattest, getreue Mitglieder des Klans alle miteinander, und es ist etwas, das du stolz mit ins Grab nehmen wirst, stimmt's?«
    »Es war eine Art zu leben. Eine andere kannte ich nicht.«
    »Und was ist dann mit meinem Vater passiert? Weshalb konntest du Eddie nicht anstecken?«
    Sam warf die Zigarette auf den Fußboden und lehnte sich auf den Ellenbogen vor. Die Runzeln in den Augenwinkeln und auf seiner Stirn verspannten sich. Adams Gesicht befand sich direkt vor der Öffnung, aber er sah ihn nicht an. Statt dessen starrte er auf das untere Ende des Gitters. »Also ist jetzt die Zeit gekommen für unser Eddie-Gespräch.« Seine Stimme war wesentlich sanfter, und seine Worte kamen noch langsamer.
    »Wie hast du es mit Eddie verdorben?«
    »Das hat natürlich nicht das geringste zu tun mit der kleinen Gas-Party, die sie für mich planen, richtig? Es hat nichts zu tun mit Klagen und Eingaben, Anwälten und Gerichten, Anträgen und Aufschüben. Reine Zeitverschwendung.«
    »Sei kein Feigling, Sam. Sag mir, wie du es mit Eddie verdorben hast. Hast du ihn das Wort Nigger gelehrt? Hast du ihm beigebracht, kleine schwarze Kinder zu hassen? Hast du versucht, ihm beizubringen, wie man Kreuze verbrennt oder Bomben bastelt? Hast du ihn zu seinem ersten Lynchmord mitgenommen? Was hast du mit ihm gemacht, Sam? Wie hast du es mit ihm verdorben?«
    »Eddie hat nicht gewußt, daß ich zum Klan gehörte, bis er auf der High-School war.«
    »Weshalb nicht? Du hast dich dessen doch bestimmt nicht geschämt. Das war doch etwas, worauf die Familie unheimlich stolz war, oder etwa nicht?«
    »Es war keine Sache, über die wir redeten.«
    »Warum nicht? Du warst die vierte Generation von Cayhalls im Klan, mit Wurzeln, die bis auf die Zeit kurz nach dem Bürgerkrieg zurückgingen. Hast du mir das nicht selbst erzählt?«
    »Ja.«
    »Weshalb hast du dann den kleinen Eddie nicht auf den Schoß genommen und ihm Bilder aus dem Familienalbum gezeigt? Weshalb hast du ihm nicht Gutenacht-Geschichten erzählt über die heldenhaften Cayhalls und wie sie nachts mit Masken vor ihren tapferen Gesichtern herumgefahren sind und Negerhütten niedergebrannt haben? Du weißt schon, Geschichten aus dem Krieg, von Vater zu Sohn.«
    »Ich sagte es schon - es war keine Sache, über die wir redeten.«
    »Na schön, und als er älter wurde, hast du da versucht, ihn zu rekrutieren?«
    »Nein. Er war anders.«
    »Du meinst, er hat nicht gehaßt?«
    Sam rutschte ruckartig nach vorn und hustete. Es war das tiefe, trockene Husten eines Kettenrauchers. Sein Gesicht rötete sich, als er nach Atem rang. Das Husten wurde schlimmer, und er spuckte auf den Boden. Er stand auf und beugte sich vor mit beiden Händen auf den Hüften und hustete und keuchte, schlurfte herum und versuchte, damit aufzuhören.
    Endlich ließ das Husten nach. Er richtete sich auf und atmete hastig. Er schluckte und spuckte abermals aus, dann entspannte er sich und holte langsam Atem. Der Anfall war vorüber, und sein gerötetes Gesicht war plötzlich wieder blaß. Er ließ sich Adam gegenüber nieder und tat einen kräftigen Zug an seiner

Weitere Kostenlose Bücher