Die Kammer
Volksreden, wenn man ein Einheimischer war. Es gab genügend Juden und Radikale aus dem Norden, die die Sache ins Rollen brachten. Sie brauchten keine Hilfe.«
»Was hat er getan, nachdem er von zu Hause fortgegangen war?«
»Er trat in die Armee ein. Das war der einfachste Weg, die Stadt zu verlassen und aus Mississippi herauszukommen. Er war drei Jahre fort, und als er zurückkam, hatte er eine Frau. Sie wohnten in Clanton, und wir bekamen sie kaum zu Gesicht. Gelegentlich besuchte er seine Mutter, aber mir hatte er nicht viel zu sagen. Inzwischen war es Anfang der sechziger Jahre, und die Afrikanerbewegung lief auf Hochtouren. Es gab eine Menge Klan-Treffen, eine Menge Aktivitäten, meistens weiter südlich. Eddie hielt sich heraus. Er war sehr still, er hatte ohnehin nie viel zu sagen.«
»Dann wurde ich geboren.«
»Du wurdest ungefähr um die Zeit geboren, als diese drei Bürgerrechtler verschwanden. Eddie hatte den Nerv, mich zu fragen, ob ich etwas damit zu tun hätte.«
»Und? Hattest du?«
»Nein. Ich habe fast ein Jahr lang nicht gewußt, wer es getan hat.«
»Es waren Kluxer, nicht wahr?«
»Klansmänner. Ja.«
»Warst du glücklich, als diese Jungen ermordet wurden?«
»Was zum Teufel hat das mit mir zu tun und der Gaskammer im Jahre 1990?«
»Hat Eddie Bescheid gewußt, als du mit den Bombenanschlägen angefangen hast?«
»In Ford County hat das niemand gewußt. Wir waren nicht sonderlich aktiv gewesen. Ich sagte es bereits, das meiste passierte weiter südlich, in der Gegend um Meridian.«
»Und du konntest es einfach nicht abwarten, dich selbst ins Getümmel zu stürzen?«
»Sie brauchten Hilfe. Das FBI war so tief in unsere Organisation eingedrungen, daß man niemandem mehr trauen konnte. Die Bürgerrechtsbewegung wuchs lawinenartig an. Irgend etwas mußte unternommen werden. Ich schäme mich dessen nicht.«
Adam lächelte und schüttelte den Kopf. »Aber Eddie schämte sich, nicht wahr?«
»Eddie wußte von nichts, bis zu dem Kramer-Anschlag.«
»Weshalb hast du ihn mit hineingezogen?«
»Das habe ich nicht getan.«
»Doch, das hast du. Du hast zu deiner Frau gesagt, sie soll Eddie holen und mit ihm nach Cleveland fahren, um deinen Wagen zurückzuholen. Er war ein Komplize nach begangener Tat.«
»Ich saß im Gefängnis. Ich hatte Angst. Und niemand hat es je erfahren. Es war harmlos.«
»Vielleicht hat Eddie nicht so gedacht.«
»Ich weiß nicht, was Eddie gedacht hat. Aber als ich aus dem Gefängnis herauskam, war er fort. Ihr wart alle fort. Ich habe ihn nie wiedergesehen, außer bei der Beerdigung seiner Mutter, und da ist er aufgetaucht und wieder verschwunden, ohne ein Wort zu irgend jemandem.« Er rieb sich mit der linken Hand die Runzeln auf seiner Stirn, dann fuhr er mit ihr durch sein fettiges Haar. Sein Gesicht war traurig, und als Adam einen Blick durch die Öffnung warf, sah er einen Anflug von Feuchtigkeit in den Augen. »Als ich Eddie das letztemal sah, stieg er nach dem Gedenkgottesdienst vor der Kirche in seinen Wagen. Er hatte es eilig. Ich hatte das Gefühl, daß ich ihn nie wiedersehen würde. Er war da, weil seine Mutter gestorben war, und ich wußte, daß dies sein letzter Besuch zu Hause gewesen sein würde. Für ihn gab es keinen anderen Grund, zurückzukommen. Ich stand auf der Vordertreppe der Kirche, Lee war bei mir, und wir sahen beide zu, wie er davonfuhr. Da war ich, mußte meine Frau begraben und gleichzeitig zusehen, wie mein Sohn zum letztenmal verschwand.«
»Hast du versucht, ihn zu finden?«
»Nein. Nicht ernsthaft. Lee sagte, sie hätte eine Telefonnummer, aber mir war nicht nach Betteln zumute. Es war offensichtlich, daß er nichts mit mir zu tun haben wollte, also ließ ich ihn in Ruhe. An dich habe ich oft gedacht, und ich erinnere mich, daß ich zu deiner Großmutter gesagt habe, wie schön es wäre, dich wiederzusehen. Aber ich dachte nicht daran, einen Haufen Zeit zu verschwenden mit dem Versuch, euch aufzuspüren.«
»Es wäre schwierig gewesen, uns zu finden.«
»Das habe ich gehört. Lee telefonierte hin und wieder mit Eddie, und sie hat mir dann Bericht erstattet. Hörte sich an, als zöget ihr in ganz Kalifornien herum.«
»Ich habe in zwölf Jahren sechs verschiedene Schulen besucht.«
»Aber weshalb? Was hat er getan?«
»Alles mögliche. Er verlor seinen Job, und wir zogen weiter, weil wir die Miete nicht mehr bezahlen konnten. Dann fand Mutter Arbeit, und wir zogen wieder woanders hin. Dann regte sich Dad aus
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