Die Kammer
Schwergewicht. Die Wärter erzählten hinterher, er wäre über seine Potenz glücklicher gewesen als über seinen Aufschub. Sie schafften schnell die Frauen weg, die, wie sich dann herausstellte, keineswegs seine Frau und seine Freundin waren.«
»Sondern?«
»Nutten.«
»Nutten!« sagte Adam eine Spur zu laut, und einer der Anwälte starrte ihn an.
Sam beugte sich so weit vor, daß seine Nase fast in der Öffnung steckte. »Ja, zwei Huren. Sein Bruder hatte das irgendwie arrangiert. Erinnere dich an das Begräbnisgeld, das er so mühsam zusammengebettelt hatte.«
»Das kann doch nicht dein Ernst sein.«
»Doch. Vierhundert Dollar für zwei Huren, was auf den ersten Blick ziemlich happig zu sein scheint, besonders für afrikanische Huren aus dieser Gegend hier, aber offenbar hatten sie eine Heidenangst davor, in den Todestrakt zu kommen, was ja irgendwie einleuchtet. Sie nahmen Stocks ganzes Geld. Er hat mir später erzählt, es wäre ihm scheißegal, wie sie ihn begraben würden. Sagte, es wäre jeden Cent wert gewesen. Naifeh war die Sache sehr peinlich, und er drohte damit, die ehelichen Besuche zu verbieten. Aber Stocks Anwalt, der kleine Dunkelhaarige da drüben, legte Klage ein und erreichte einen Beschluß, wonach eine letzte schnelle Nummer auch weiterhin möglich bleiben soll. Ich glaube, Stock freut sich beinahe auf das nächste Mal.«
Sam lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, und das Lächeln verschwand langsam aus seinem Gesicht. »Was mich betrifft ich habe mir nicht viel Gedanken über meinen Ehelichen Besuch gemacht. Es ist nur für Mann und Frau vorgesehen, das besagt ja schon das Wort ehelich. Aber der Direktor wird bei mir wahrscheinlich Fünfe gerade sein lassen, meinst du nicht auch?«
»Darüber habe ich wirklich noch nicht nachgedacht.«
»Das sollte ein Witz sein. Ich bin ein alter Mann. Ich begnüge mich mit einer Rückenmassage und einem steifen Drink.«
»Was ist mit deiner Henkersmahlzeit?« fragte Adam, immer noch sehr leise.
»Das ist nicht komisch.«
»Ich dachte, wir machen Witze.«
»Wahrscheinlich irgend etwas Widerliches wie gekochtes Schweinefleisch und Gummierbsen. Derselbe Dreck, mit dem sie mich seit fast zehn Jahren gefüttert haben. Vielleicht eine Extrascheibe Toast. Ich werde dem Koch doch nicht die Möglichkeit bieten, etwas zuzubereiten, das man auch einem freien Menschen vorsetzen könnte.«
»Hört sich köstlich an.«
»Oh, ich werde mit dir teilen. Ich habe mich oft gefragt, weshalb sie einen füttern, bevor sie ihn töten. Außerdem schicken sie den Doktor und lassen ihn eine gründliche Untersuchung vornehmen. Kannst du dir das vorstellen? Vergewissern sich, daß du fit genug bist, um zu sterben. Und zu den Angestellten hier gehört auch ein Psychiater, der dich gleichfalls vor der Hinrichtung untersucht, und er muß dem Direktor schriftlich versichern, daß du geistig so gesund bist, daß man dich in die Gaskammer schicken kann. Und außerdem haben sie einen Geistlichen auf der Gehaltsliste, der mit dir betet und dafür sorgt, daß deine Seele in die richtige Richtung strebt. Das alles wird von den Steuerzahlern des Staates Mississippi bezahlt und von diesen liebevollen Menschen hier zur Verfügung gestellt. Vergiß nicht den letzten ehelichen Besuch. Du darfst mit gestillter Begierde sterben. Sie denken an alles. Sie sind überaus rücksichtsvoll. Wirklich besorgt um deinen Appetit und deine Gesundheit und dein seelisches Wohlbefinden. Ganz zum Schluß stecken sie dir einen Katheter in den Penis und stöpseln dir den Arsch zu, damit du keine Schweinerei machst. Das tun sie in ihrem eigenen Interesse, nicht in deinem. Dann brauchen sie dich hinterher nicht sauberzumachen. Also füttern sie dich gut, geben dir, was immer du haben möchtest, und dann stöpseln sie dich zu. Widerlich, findest du nicht? Einfach widerlich.«
»Laß uns über etwas anderes reden.«
Sam rauchte seine letzte Zigarette auf und warf dem Wärter den Stummel vor die Füße. »Nein. Laß uns überhaupt nicht mehr reden. Für einen Tag reicht es mir.«
»Gut.«
»Und nichts mehr über Eddie, okay? Es ist einfach nicht fair von dir, hierher zu kommen und mich mit solchen Dingen zu überfallen.«
»Tut mir leid. Nichts mehr über Eddie.«
»Wir sollten versuchen, uns in den nächsten drei Wochen nur mit mir zu befassen. Damit haben wir mehr als genug zu tun.«
»Einverstanden, Sam.«
Nach Osten hin hatte sich Greenville entlang des Highway 82 auf eine unschöne Weise
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