Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
wesentlich dringlicheren Fällen überlastet.
    Gelegentlich kann jedoch ein Beschluß mit verblüffender Schnelligkeit ergehen. Die Justiz kann Erstaunliches leisten. Besonders in der Schlußphase, wenn ein Hinrichtungstermin festgesetzt worden ist und die Gerichte weitere Eingaben und noch mehr Anträge satt haben. Adam erhielt seine erste Dosis schneller Gerichtsbarkeit, während er am Montagnachmittag auf den Straßen von Greenville herumwanderte.
    Das Gericht des Staates Mississippi warf einen Blick auf seinen Antrag auf Aussetzung des Todesurteils und wies ihn am Montag gegen 17 Uhr ab. Adam kam gerade in Greenville an und hatte keine Ahnung davon. Die Abweisung an sich war keine Überraschung, wohl aber die Schnelligkeit. Der Antrag lag nicht einmal acht Stunden beim Gericht. Aber schließlich hatte das Gericht sich seit rund zehn Jahren immer wieder mit Sam Cayhall beschäftigen müssen.
    In der Endphase vor der Vollstreckung von Todesurteilen beobachten die Gerichte sich gegenseitig sehr genau. Kopien von Klagen und Entscheidungen werden per Fax übermittelt, damit die höheren Gerichte wissen, was auf sie zukommt. Die Abweisung durch das Gericht des Staates Mississippi wurde routinemäßig an das Bundes-Bezirksgericht in Jackson, Adams nächstes Forum, gefaxt. Ihr Empfänger war der Ehrenwerte F. Flynn Slattery, ein junger Bundesrichter, der erst kürzlich ernannt worden war und bisher noch nicht mit dem Cayhall-Fall zu tun gehabt hatte.
    Am Montag zwischen 17 und 18 Uhr versuchte Richter Slatterys Büro, Adam Hall ausfindig zu machen, aber der saß im Kramer-Park. Slattery rief den Justizminister Steve Roxburgh an, und um halb neun fand im Büro des Richters eine kurze Zusammenkunft statt. Der Richter war ein Arbeitstier, und er hatte es bei diesem Fall zum erstenmal mit einem Todesurteil zu tun. Er und sein Kanzleivorsteher saßen bis Mitternacht über dem Antrag.
    Wenn Adam am Montag die Spätnachrichten gesehen hätte, dann hätte er erfahren, daß sein Antrag in der ersten Instanz bereits abgewiesen worden war. Um diese Zeit schlief er jedoch bereits tief und fest.
    Am Dienstagmorgen um sechs griff er beiläufig nach der Zeitung aus Jackson und erfuhr, daß das Staatsgericht gegen ihn entschieden hatte und die Sache jetzt beim Bundesgericht lag und Richter Slattery zugewiesen worden war, und daß sowohl der Justizminister als auch der Gouverneur dies als weiteren Sieg für sich verbuchten. Merkwürdig, dachte er, bisher hatte er schließlich noch keinen offiziellen Antrag beim Bundesgericht gestellt. Er sprang in seinen Wagen und raste ins zwei Stunden entfernte Jackson. Um neun betrat er das Gebäude des Bundesgerichts in der Capitol Street und traf kurz mit Breck Jefferson zusammen, einem jungen Mann frisch von der Universität, dem offenbar jede Fähigkeit zum Lächeln abging und der den wichtigen Posten des Bürovorstehers in Slatterys Kanzlei innehatte. Adam wurde aufgefordert, sich um elf wieder zu einer Zusammenkunft mit dem Richter einzufinden.
    Obwohl er um Punkt elf in Slatterys Büro eintraf, war offensichtlich, daß bereits seit geraumer Zeit eine Art Konferenz im Gange war. In der Mitte von Slatterys riesigem Büro stand ein Konferenztisch aus Mahagoni, lang und breit, mit acht schwarzen Lederstühlen zu beiden Seiten. Slatterys Thron stand am Ende, in der Nähe seines Schreibtisches, und vor ihm auf dem Tisch lagen Stapel von Papieren, Notizblöcken und anderem Handwerkszeug. Die Seite zu seiner Rechten war voll besetzt mit weißen jungen Männern in marineblauen Anzügen, die dicht gedrängt am Tisch saßen. Direkt hinter ihnen hatte sich eine weitere Reihe kampfeslustiger Krieger niedergelassen. Diese Seite gehörte dem Staat, wobei Seine Ehren, der Gouverneur, Mr. David McAllister, Slattery am nächsten saß. Seine Ehren, der Justizminister Steve Roxburgh, war in die Mitte des Tisches verbannt worden; offensichtlich hatte er den Kampf um den Ehrenplatz verloren. Beide ehrenwerten Diener des Volkes hatten ihre vertrauenswürdigsten Anwälte und Denker mit an den Tisch gebracht, und diese Schwadron von Strategen hatte sich offensichtlich bereits lange vor Adams Ankunft mit dem Richter zusammengetan und Pläne mit ihm geschmiedet.
    Breck, der Kanzleivorsteher, öffnete die Tür, begrüßte Adam halbwegs freundlich und forderte ihn dann auf, hereinzukommen. Im Raum trat sofort Stille ein, als Adam sich dem Tisch näherte. Slattery erhob sich widerstrebend und stellte sich vor. Der

Weitere Kostenlose Bücher