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Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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einer Bibliothek im sechzigsten Stock um einen langen Tisch, auf dem große Kannen mit Kaffee standen, und sie brachten dicke Akten und tragbare Diktiergeräte und randvolle Terminkalender mit. Einer hatte sogar eine Sekretärin dabei; sie saß auf dem Flur und arbeitete auf Hochtouren. Sie waren vielbeschäftigte Leute, einer wie der andere, allen stand ein weiterer hektischer Tag bevor, angefüllt mit endlosen Konferenzen, Sitzungen, Besprechungen, Zeugenvernehmungen, Gerichtsverhandlungen, Telefongesprächen und wichtigen Geschäftsessen. Zehn Männer und eine Frau, alle Ende Dreißig oder Anfang Vierzig, alle Partner bei Kravitz & Bane, alle in Eile, wieder an ihre überfüllten Schreibtische zurückkehren zu können.
    Die Angelegenheit Adam Hall war ihnen lästig. Der ganze Personalausschuß war ihnen lästig. Er gehörte nicht zu den angenehmeren Ausschüssen, in denen man mitarbeiten konnte, aber sie waren ordnungsgemäß hineingewählt worden, und niemand hatte es gewagt, die Wahl abzulehnen. Alles für die Firma und den Teamgeist.
    Adam war um halb acht eingetroffen. Er war zehn Tage weggewesen, seine bisher längste Abwesenheit. Emmitt Wycoff hatte Adams Arbeit einem anderen jungen Anwalt übertragen.
    Bei Kravitz & Bane herrschte nie Mangel an Anfängern. Um acht Uhr versteckte er sich in einem kleinen, nutzlosen Konferenzraum im sechzigsten Stock. Er war nervös, gab sich aber alle Mühe, es sich nicht anmerken zu lassen. Er trank Kaffee und las die Morgenzeitungen. Parchman lag in einer anderen Welt. Und er studierte die Liste der fünfzehn Mitglieder des Personalausschusses, von denen er keines kannte. Elf Fremde, die in der nächsten Stunde mit seiner Zukunft Fußball spielen und dann schnell abstimmen und sich wichtigeren Dingen zuwenden würden. Ein paar Minuten vor acht schaute Wycoff herein. Adam dankte ihm für alles, entschuldigte sich für die Mühe, die er ihm machte, und hörte zu, als Emmitt ein schnelles und befriedigendes Resultat versprach.
    Fünf Minuten nach acht öffnete Garner Goodman die Tür.
    »Sieht ziemlich gut aus«, sagte er fast flüsternd. »Im Augenblick sind elf anwesend. Mindestens fünf sind auf unserer Seite. Drei von denen, die im Unterausschuß für Rosen gestimmt haben, sind da, aber es sieht so aus, als könnten ihm ein oder zwei Stimmen fehlen.«
    »Ist Rosen da?« fragte Adam. Er kannte die Antwort, hoffte aber, daß der alte Gauner vielleicht im Schlaf gestorben sein könnte.
    »Ja, natürlich. Und ich glaube, er macht sich Sorgen. Emmitt hat gestern abend noch um zehn herumtelefoniert. Wir haben die Stimmen, und Rosen weiß das.« Goodman schob sich durch die Tür und verschwand.
    Um Viertel nach acht eröffnete der Vorsitzende die Sitzung und erklärte den Ausschuß für beschlußfähig. Die Entlassung von Adam Hall war der einzige Punkt auf der Tagesordnung und der einzige Grund für diese Sondersitzung. Emmitt Wycoff machte den Anfang und leistete in zehn Minuten gute Arbeit, indem er Adams Vorzüge hervorhob. Er stand an einem Ende des Tisches vor einem Bücherregal und redete drauflos, als versuchte er, eine Jury zu überzeugen. Mindestens die Hälfte der elf hörte kein Wort davon. Sie überflogen Dokumente und jonglierten mit ihren Terminen.
    Als nächster sprach Garner Goodman. Er gab einen kurzen Überblick über den Fall Sam Cayhall und zeigte sich ehrlich überzeugt, daß Sam höchstwahrscheinlich in drei Wochen hingerichtet werden würde. Dann rühmte er Adam, sagte, er hätte vielleicht nicht recht daran getan, seine Verbindung zu Sam geheimzuhalten, aber wenn schon. Das war damals, und jetzt ist heute, und die Gegenwart ist wesentlich wichtiger als die Vergangenheit, zumal wenn der Mandant nur noch drei Wochen zu leben hat.
    Weder Wycoff noch Goodman wurde auch nur eine einzige Frage gestellt. Die Fragen wurden offensichtlich für Rosen aufgespart.
    Anwälte haben ein langes Gedächtnis. Man schneidet einem heute die Kehle durch, und er wird jahrelang geduldig in aller Seelenruhe abwarten, bis er mit gleicher Münze zurückzahlen kann. Rosen hatte auf den Fluren von Kravitz & Bane massenhaft Münzen herumliegen, und als geschäftsführender Partner war er damit beschäftigt, sie einzuheimsen. Er hatte jahrelang auf Leuten herumgetrampelt, auf seinen eigenen Leuten. Er war ein Tyrann, ein Lügner, ein Gangster. In seiner Glanzzeit war er das Herz und die Seele der Firma gewesen, und das wußte er. Niemand wagte es, ihn herauszufordern. Er hatte junge

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