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Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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und verlorengegangenen Briefen. Wenn die hölzernen Läden nicht geschlossen gewesen wären, hätte man durch das große Fenster einen herrlichen Ausblick auf den Michigansee gehabt, aber es war offensichtlich, daß Mr. Goodman keine Zeit an seinem Fenster verbrachte.
    Er war ein alter Mann mit einem grauen Bart und buschigem, grauem Haar. Sein weißes Hemd war stocksteif gestärkt. Eine grüne Fliege mit Paisley-Muster, sein Markenzeichen, war präzise unter seinem Kinn gebunden. Adam betrat das Zimmer und suchte sich vorsichtig seinen Weg um die Papiere herum. Goodman stand nicht auf, reichte ihm aber die Hand zu einer kühlen Begrüßung.
    Adam gab Goodman die Akte und ließ sich auf dem einzigen freien Stuhl nieder. Er wartete nervös, während die Akte studiert, der Bart sanft gestreichelt und die Fliege befingert wurde.
    »Weshalb wollen Sie probono-Arbeit tun?« murmelte Goodman nach langem Schweigen. Er sah nicht von der Akte auf. Aus in die Decke eingelassenen Lautsprechern kam leise klassische Gitarrenmusik.
    Adam rutschte auf seinem Stuhl herum. »Äh, aus verschiedenen Gründen.«
    »Lassen Sie mich raten. Sie wollen der Menschheit dienen, etwas für Ihre Mitmenschen tun, oder vielleicht fühlen Sie sich auch schuldig, weil Sie soviel Zeit hier in dieser Tretmühle verbringen und beim Geldscheffeln helfen, und wollen nun ihre Seele reinigen, sich die Hände schmutzig machen, ein bißchen ehrliche Arbeit tun und anderen Menschen helfen.« Goodmans Augen richteten sich über die weit vorn auf seiner ziemlich spitzen Nase balancierende schwarzgeränderte Brille hinweg auf Adam. »Etwas in der Art?«
    »Eigentlich nicht.«
    Goodman beugte sich wieder über die Akte. »Sie arbeiten also für Emmitt Wycoff?« Er las einen Brief von Wycoff, dem Partner, dem Adam zur Hand ging.
    »Ja, Sir.«
    »Er ist ein guter Anwalt. Ich kann ihn nicht sonderlich gut leiden, aber er hat einen großartigen kriminalistischen Verstand. Wahrscheinlich einer unserer drei besten Männer für Wirtschaftsverbrechen. Aber ziemlich anstrengend, finden Sie nicht?«
    »Er ist in Ordnung.«
    »Seit wann unterstehen Sie ihm?«
    »Seit ich hier angefangen habe. Vor neun Monaten.«
    »Also sind Sie seit neun Monaten hier?«
    »Ja, Sir.«
    »Und? Was denken Sie?« Goodman klappte die Akte zu und musterte Adam. Er nahm langsam die Brille ab und steckte einen Bügel in den Mund.
    »Es gefällt mir, bis jetzt. Es ist eine Herausforderung.«
    »Natürlich. Aber weshalb haben Sie sich für Kravitz & Bane entschieden? Ich meine, mit Ihren Zeugnissen hätten Sie doch überall hingehen können. Weshalb hierher?«
    »Strafprozesse. Das ist es, was mich interessiert, und die Firma hat einen guten Ruf.«
    »Wie viele Offerten haben Sie gehabt? Reden Sie schon, ich bin einfach neugierig.«
    »Mehrere.«
    »Und wo?«
    »Überwiegend in Washington. Eine in Denver. Bei New Yorker Firmen habe ich mich nicht beworben.«
    »Wieviel Geld haben wir Ihnen angeboten?«
    Adam rutschte wieder auf seinem Stuhl herum. Goodman war schließlich Partner. Bestimmt wußte er, was die Firma neuen Anwälten zahlte. »Ungefähr sechzig. Was bekommen Sie?«
    Das amüsierte den alten Mann, und er lächelte zum erstenmal. »Sie zahlen mir vierhunderttausend Dollar im Jahr dafür, daß ich ihre Zeit verschenke, damit sie sich gegenseitig auf die Schulter klopfen und über Anwälte und ihre Verantwortung der Gesellschaft gegenüber predigen können. Vierhunderttausend, können Sie sich das vorstellen?«
    Adam hatte die Gerüchte gehört. »Sie beschweren sich doch nicht etwa?«
    »Nein. Ich bin der glücklichste Anwalt in der ganzen Stadt, Mr. Hall. Ich bekomme eine Wagenladung voll Geld für Arbeit, die mir Spaß macht, und ich brauche mich nicht um eine Stechuhr und um anrechenbare Stunden zu kümmern. Das ist der Traum eines jeden Anwalts. Und das ist der Grund dafür, daß ich immer noch sechzig Stunden in der Woche in meinem Büro sitze. Ich bin fast siebzig, müssen Sie wissen.«
    Der Firmenlegende zufolge hatte Goodman als jüngerer Mann den Druck nicht ausgehalten und sich mit Alkohol und Tabletten beinahe umgebracht. Er ging ein Jahr lang auf Entzug, während seine Frau die Kinder nahm und ihn verließ; dann überzeugte er die Partner davon, daß es sich lohnte, ihn zu retten. Er brauchte lediglich ein Büro, in dem sich das Leben nicht um eine Uhr drehte.
    »Welche Art von Arbeit tun Sie für Emmitt Wycoff?« fragte Goodman.
    »Massenhaft Recherchen. Im Augenblick

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