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Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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die Tür hinter sich zu.
    Auf dem schäbigen Flur blieb sie stehen, bevor sie noch die Treppe erreicht hatten. »Bitte erklär mir das«, sagte sie und ergriff seinen Arm.
    »Was?«
    »Das kleine Büro da drinnen.«
    »Das ist doch ziemlich offensichtlich, oder etwa nicht?«
    »Ist das legal?«
    »Es ist nicht illegal.«
    »Ist es moralisch vertretbar?«
    Adam holte tief Luft und starrte die Wand an. »Was haben sie mit Sam vor?«
    »Sie wollen ihn hinrichten.«
    »Hinrichten, vergasen, auslöschen, töten, nenne es, wie du willst. Aber es ist Mord, Carmen. Mord von Gesetzes wegenEs ist unrecht, und ich versuche, es zu verhindern. Es ist ein schmutziges Geschäft, und wenn ich gegen ein paar moralische Grundsätze verstoßen muß, so kümmert mich das nicht.«
    »Es stinkt.«
    »Das tut die Gaskammer auch.«
    Sie schüttelte den Kopf und sagte nichts mehr. Noch vor vierundzwanzig Stunden hatte sie mit ihrem Freund in einem Straßencafe in San Francisco zu Mittag gegessen. Jetzt wußte sie nicht einmal mehr genau, wo sie sich befand.
    »Mach mir keinen Vorwurf daraus, Carmen. Ich bin verzweifelt.«
    »Okay«, sagte sie und ging die Treppe hinunter.
    Der Gouverneur und der junge Anwalt saßen allein in dem riesigen Büro auf den bequemen Ledersesseln; sie hatten die Beine übereinandergeschlagen, und ihre Füße berührten sich beinahe. Goodman hetzte mit Carmen zum Flughafen, damit sie ihre Maschine noch bekam. Mona Stark war nirgends in Sicht.
    »Es ist schon seltsam. Sie sind sein Enkel und kennen ihn noch nicht einmal einen Monat.« McAllisters Worte wirkten ruhig, fast müde. »Ich aber kenne ihn seit vielen Jahren. Er war sogar lange Zeit ein Teil meines Lebens. Und ich habe immer geglaubt, ich müßte diesen Tag herbeisehnen. Ich wollte, daß er stirbt, daß er dafür bestraft wird, für den Mord an diesen kleinen Jungen.« Er schüttelte mit einer Kopfbewegung das Haar aus der Stirn und rieb sich die Augen. Seine Worte klangen so echt wie bei einem Gespräch zwischen zwei Freunden über den neuesten Klatsch. »Aber jetzt bin ich nicht mehr so sicher. Ich muß Ihnen gestehen, Adam, die Sache macht mir schwer zu schaffen.«
    Er war entweder brutal aufrichtig oder ein begabter Schauspieler. Adam wußte es nicht zu sagen. »Was will der Staat beweisen, wenn Sam stirbt?« fragte Adam. »Wird dies ein besserer Ort zum Leben sein, wenn am Mittwochmorgen die Sonne aufgeht und er tot ist?«
    »Nein. Aber schließlich sind Sie ein Gegner der Todesstrafe. Ich bin es nicht.«
    »Weshalb nicht?«
    »Weil es eine Höchststrafe für Mord geben muß. Versetzen Sie sich an Ruth Kramers Stelle, dann empfinden Sie anders. Das Problem, das Sie und Leute wie Sie haben, ist, daß Sie die Opfer vergessen.«
    »Wir könnten Stunden damit verbringen, über die Todesstrafe zu diskutieren.«
    »Sie haben recht. Lassen wir das. Hat Sam Ihnen irgend etwas Neues über die Bombenanschläge erzählt?«
    »Ich kann mich nicht über Dinge äußern, die Sam mir erzählt hat. Aber die Antwort lautet nein.«
    »Vielleicht hat er die Tat allein begangen. Ich weiß es nicht.«
    »Welchen Unterschied würde das heute machen, einen Tag vor der Hinrichtung?«
    »Um ganz ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Aber wenn ich wüßte, daß Sam lediglich als Komplize gehandelt hat, daß jemand anders für die Morde verantwortlich war, dann wäre es mir unmöglich, die Hinrichtung zuzulassen. Ich könnte sie unterbinden. Das könnte ich ohne weiteres. Man würde mir die Hölle heiß machen. Es könnte mir politisch schaden. Der Schaden wäre vielleicht sogar irreparabel, aber das wäre mir egal. Ich habe die Politik allmählich satt. Und es gefällt mir ganz und gar nicht, mich in dieser Position zu befinden, als Herrscher über Tod oder Leben. Aber ich könnte Sam begnadigen, wenn ich die Wahrheit wüßte.«
    »Sie glauben, daß er Hilfe hatte. Das haben Sie mir schon früher gesagt. Der FBI-Agent, der damals die Untersuchung leitete, glaubt es ebenfalls. Weshalb handeln Sie dann nicht diesem Glauben entsprechend und begnadigen ihn?«
    »Weil wir nicht sicher sind.«
    »Also, ein Wort von Sam, nur ein Name, den er in den letzten Stunden nennt, und schon greifen Sie zur Feder und retten sein Leben?«
    »Nein. Aber ich könnte einen Aufschub gewähren, damit Ermittlungen über den Namen angestellt werden können.«
    »Dazu wird es nicht kommen, Gouverneur. Ich habe es versucht. Ich habe ihn so oft gefragt, und er hat es ebenso oft abgestritten, daß wir nicht

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