Die Kammer
damit, daß ich entlassen werden soll?«
»Machen Sie sich deshalb keine Sorgen, Adam. Dazu wird es nicht kommen, das verspreche ich Ihnen. Es war unrecht, daß Sie es uns nicht gesagt haben, aber das ist eine relativ kleine Sünde. Und eine völlig verständliche. Sie sind jung, verstört, naiv, und Sie wollen helfen. Machen Sie sich wegen Rosen keine Sorgen. Ich glaube nicht, daß er in drei Monaten noch auf seinem Stuhl sitzen wird.«
»Ich glaube, tief in seinem Innern bewundert er mich.«
»Das ist ziemlich offensichtlich.«
Adam holte tief Luft und wanderte um den Tisch herum.
Goodman zog die Kappe von seinem Stift und begann, sich Notizen zu machen. »Wir haben nicht viel Zeit, Adam«, sagte er.
»Ich weiß.«
»Wann können Sie abreisen?«
»Morgen. Ich packe gleich heute abend. Es ist eine Fahrt von zehn Stunden.«
»Die Akte wiegt einen Zentner. Sie wird gerade kopiert. Ich lasse sie morgen expedieren.«
»Erzählen Sie mir etwas über unser Büro in Memphis.«
»Ich habe vor einer Stunde mit den Leuten dort gesprochen. Der geschäftsführende Partner heißt Baker Cooley. Er erwartet Sie. Sie werden Ihnen ein kleines Büro und eine Sekretärin zur Verfügung stellen und Ihnen helfen, soweit es geht. Von Prozeßführung haben sie da unten nicht viel Ahnung.«
»Wie viele Anwälte?«
»Zwölf. Es ist eine kleine Nobelfirma, die wir vor zehn Jahren gekauft haben; niemand weiß mehr genau, warum. Aber es sind gute Leute. Die Überreste einer alten Firma, die mit dem Baumwoll- und Getreidehandel dort unten zu Ansehen gekommen ist, und ich glaube, darin liegt die Verbindung zu Chicago. Auf jeden Fall macht es sich gut auf den Briefbogen. Waren Sie schon einmal in Memphis?«
»Ich bin dort geboren, erinnern Sie sich?«
»Ach, ja.«
»Ich war einmal dort, vor ein paar Jahren, und habe meine Tante besucht.«
»Es ist eine alte Stadt am Fluß, irgendwie anheimelnd. Sie werden sich dort wohl fühlen.«
Adam ließ sich Goodman gegenüber am Tisch nieder. »Wie soll ich mich in den nächsten paar Monaten wohl fühlen können?«
»Gute Frage. Sie sollten so bald wie möglich nach Parchman fahren.«
»Das werde ich übermorgen nachmittag tun.«
»Gut. Ich rufe den Direktor an. Er heißt Philip Naifeh und ist seltsamerweise Libanese. Von denen gibt es eine ganze Reihe im Mississippi-Delta. Jedenfalls ist er ein alter Freund von mir, und ich sage ihm, daß Sie kommen.«
»Der Direktor ist Ihr Freund?«
»Ja. Und zwar schon seit etlichen Jahren. Das geht auf Maynard Töle zurück, einen ganz miesen Burschen, der mein erster Toter in diesem Krieg war. Ich glaube, er wurde 1986 hingerichtet, und der Direktor und ich wurden Freunde. Er ist ein Gegner der Todesstrafe, ob Sie's glauben oder nicht.«
»Das kann ich nicht glauben.«
»Er haßt Hinrichtungen. Das werden Sie bald lernen, Adam. Die Todesstrafe mag zwar in unserem Lande sehr populär sein, aber die Leute, die gezwungen sind, sie zu vollstrecken, befürworten sie nicht. Sie werden diese Leute kennenlernen: die Wärter, die in engem Kontakt zu den Insassen der Todeszellen stehen; die Verwaltungsbeamten, die eine reibungslose Tötung planen müssen; die Gefängnisangestellten, die schon einen Monat vorher zu proben beginnen. Es ist ein eigenartiger kleiner Ausschnitt dieser Welt, und ein überaus deprimierender.«
»Ich kann es kaum erwarten.«
»Ich spreche mit dem Direktor und hole die Besuchserlaubnis ein. Normalerweise gewährt man Ihnen ein paar Stunden. Aber es kann natürlich sein, daß es nur fünf Minuten dauert, falls Sam keinen Anwalt will.«
»Er wird mit mir reden, glauben Sie nicht?«
»Ich denke schon. Ich kann mir nicht vorstellen, wie der Mann reagieren wird, aber reden wird er. Es kann sein, daß Sie ihn mehrmals aufsuchen müssen, bis er unterschreibt, aber das können Sie ja tun.«
»Wann haben Sie ihn zum letztenmal gesehen?«
»Vor ungefähr zwei Jahren. Wallace Tyner und ich sind hingefahren. Sie sollten mit Tyner sprechen. Er hat in den letzten sechs Jahren an der vordersten Front gestanden.« Adam nickte. Er hatte in den vergangenen neun Monaten schon eine Menge Informationen aus Tyner herausgeholt. »Welchen Antrag reichen wir als ersten ein?«
»Darüber reden wir später. Ich treffe mich morgen früh mit Tyner, damit wir den Fall noch einmal durchsprechen können. Aber wir lassen alles offen, bis wir von Ihnen gehört haben. Wir können nichts unternehmen, solange wir ihn nicht vertreten.« Adam dachte an die
Weitere Kostenlose Bücher