Die Kammer
fragen«, setzte Wycoff hinzu, gerade als das irgendwo tief in einer seiner Taschen vergrabene Telefon piepte. Er klemmte es sich ans Ohr und wendete sich von der Versammlung ab.
»Was ist, wenn er stirbt? Stehen wir dann nicht schlecht da?«
fragte Rosen Goodman.
»Es ist damit zu rechnen, daß er stirbt. Deshalb sitzt er schließlich in der Todeszelle«, erklärte Goodman.
Wycoff hörte auf zu murmeln und steckte das Telefon wieder in die Tasche. »Ich muß gehen«, sagte er und bewegte sich, jetzt nervös, eilig auf die Tür zu. »Wo stehen wir?«
»Es gefällt mir immer noch nicht«, sagte Rosen.
»Daniel, Daniel, immer mit dem Kopf durch die Wand«, sagte Wycoff, blieb am Ende des Tisches stehen und stützte sich mit beiden Händen darauf. »Sie wissen, daß es eine gute Idee ist. Sie sind nur sauer, weil er es uns nicht gleich gesagt hat.«
»Das stimmt. Er hat uns getäuscht, und jetzt benutzt er uns.« Adam holte tief Luft und schüttelte den Kopf.
»Das Vorstellungsgespräch liegt fast ein Jahr zurück. Das ist Vergangenheit und erledigt. Vergessen Sie's. Er ist intelligent. Er arbeitet sehr hart. Weiß, was er will. Recherchiert überaus sorgfältig. Wir können froh sein, daß wir ihn haben. Na schön, seine Familie hat Probleme. Aber schließlich können wir nicht jeden Anwalt entlassen, mit dessen Familie etwas nicht stimmt.«
Wycoff grinste Adam an.
»Außerdem schwärmen sämtliche Sekretärinnen für ihn. Ich schlage vor, wir schicken ihn für ein paar Monate in den Süden und holen ihn dann so bald wie möglich zurück. Ich brauche ihn. Und jetzt muß ich los.« Er verschwand und machte die Tür hinter sich zu.
Im Zimmer herrschte Schweigen. Rosen kritzelte etwas auf seinen Block, dann gab er es auf und klappte die Akte zu. Er tat Adam fast leid. Hier saß nun dieser gewaltige Krieger, der legendäre Matador der Gerichtssäle von Chicago, ein großartiger Anwalt, der dreißig Jahre lang Geschworene beeinflußt, Gegner in Angst und Schrecken versetzt und Richter eingeschüchtert hatte und jetzt nur noch mit Bleistiften hantieren durfte und verzweifelt versuchte, aus der Beauftragung eines Anfängers mit einem probono Projekt eine Staatsaktion zu machen. Adam sah das Komische daran, die Ironie und den Jammer.
»Ich bin einverstanden, Mr. Hall«, sagte Rosen mit sehr viel Dramatik in seiner leisen Stimme, als wäre er total frustriert.
»Aber eines kann ich Ihnen versprechen: Wenn diese CayhallGeschichte vorbei ist und Sie nach Chicago zurückkehren, werde ich mich dafür einsetzen, daß Sie bei Kravitz & Bane entlassen werden.«
»Das wird vermutlich nicht nötig sein«, sagte Adam schnell. »Sie haben sich unter falschem Vorwand bei uns beworben«, fuhr Rosen fort.
»Ich sagte es bereits, es tut mir leid. Es wird nicht wieder passieren.«
»Außerdem sind Sie verdammt gerissen.«
»Das sind Sie auch, Mr. Rosen. Zeigen Sie mir einen Prozeßanwalt, der nicht gerissen ist.«
»Schlaues Kerlchen. Genießen Sie den Cayhall-Fall, Mr. Hall, es wird Ihre letzte Arbeit für diese Firma sein.«
»Sie möchten, daß ich eine Hinrichtung genieße?«
»Regen Sie sich ab, Daniel«, sagte Goodman leise. »Hier wird niemand entlassen.«
Rosen richtete voller Zorn seinen Finger auf Goodman. »Ich schwöre, daß ich seine Entlassung empfehlen werde.«
»Gut. Aber mehr als empfehlen können Sie nicht, Daniel. Ich bringe die Sache vor das Komitee, und dann werden sich alle in den Haaren liegen. Okay?«
»Ich kann es kaum abwarten«, knurrte Rosen und sprang auf.
»Ich fange gleich an, mit den Leuten zu reden. Ende der Woche habe ich meine Stimmen beisammen. Guten Tag!« Er stürmte aus dem Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu.
Sie saßen schweigend nebeneinander, starrten über den Tisch hinweg auf die Rücken der leeren Stühle und die Reihen von dicken, an der Wand aufgereihten juristischen Büchern und lauschten dem Echo der zugeknallten Tür.
»Danke«, sagte Adam schließlich.
»Im Grunde ist er kein schlechter Kerl«, sagte Goodman. »Reizend. Ein gütiger alter Herr.«
»Ich kenne ihn schon sehr lange. Es geht ihm gar nicht gut, er ist frustriert und deprimiert. Wir wissen nicht recht, was wir mit ihm anfangen sollen.«
»Was ist mit Pensionierung?«
»Es ist darüber gesprochen worden, aber bisher wurde noch nie ein Partner zum Ausscheiden gezwungen. Und es liegt ja wohl auf der Hand, daß keiner von uns einen solchen Präzedenzfall schaffen möchte.«
»Ist es ihm ernst
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