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Die Kammer

Titel: Die Kammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Sergeant Packer auf die anderen schließen konnte, war das Personal gelassen, fast gleichgültig.
    Er betrachtete die leeren Stühle zu beiden Seiten des Gitters und fragte sich, wie viele verzweifelte Menschen in den letzten Stunden ihres Lebens schon mit ihren Anwälten hier gesessen und hoffnungsvollen Worten gelauscht hatten. Wie viele dringende Anträge waren durch dieses Gitter gereicht worden, während die Uhr stetig weitertickte? Wie viele Anwälte hatten da gesessen, wo er jetzt saß, und ihren Mandanten gesagt, daß sie nichts mehr unternehmen konnten, daß die Hinrichtung stattfinden würde? Es war ein ernüchternder Gedanke, und er bewirkte, daß Adam wesentlich ruhiger wurde. Er war nicht der erste Besucher hier, und er würde auch nicht der letzte sein. Er war Anwalt, bestens ausgebildet, gesegnet mit einem scharfen Verstand, und er hatte die beachtlichen Ressourcen von Kravitz & Bane hinter sich. Er konnte seine Arbeit tun. Seine Beine beruhigten sich allmählich, das Nägelkauen hörte auf.
    Ein Türriegel klickte, und er wäre fast vom Stuhl hochgefahren. Die Tür wurde langsam geöffnet, und ein junger weißer Wärter betrat die Häftlingsseite. Hinter ihm, in einem leuchtendroten Overall, die Hände mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt, kam Sam Cayhall herein. Er sah sich im Raum um, blinzelte durch das Gitter, bis sein Blick auf Adam fiel. Ein zweiter Wärter ergriff ihn beim Ellenbogen und führte ihn zu einer Stelle, dem Anwalt genau gegenüber. Sam war mager, blaß und fünfzehn Zentimeter kleiner als die beiden Wärter, aber sie schienen sich möglichst fern von ihm zu halten.
    »Wer sind Sie?« zischte er Adam an, der in diesem Moment einen Fingernagel zwischen den Zähnen hatte.
    Der eine Wärter zog einen Stuhl für Sam heran, und der andere drückte ihn darauf nieder. Die Wärter traten zurück und waren im Begriff, den Raum zu verlassen, als Adam sagte: »Würden Sie ihm bitte die Handschellen abnehmen.?«
    »Nein, Sir. Das geht nicht.«
    Adam schluckte hart. »Tun Sie es trotzdem. Wir werden eine ganze Weile hier sein«, sagte er, wobei es ihm gelang, seiner Stimme ein gewisses Maß an Nachdruck zu verleihen. Die Wärter sahen sich an, als wäre dies ein Ersuchen, das sie noch nie gehört hatten. Dann wurde schnell nach einem Schlüssel gegriffen, und die Handschellen wurden abgenommen.
    Sam war nicht beeindruckt. Er funkelte Adam durch die Öffnung in dem Gitter hindurch an, während die Wärter geräuschvoll verschwanden. Die Tür wurde zugeschlagen, und der Riegel klickte.
    Sie waren allein, die Cayhall-Version eines Familientreffens. Die Klimaanlage ratterte und spuckte, und während einer langen Minute lieferte sie das einzige Geräusch. Obwohl er es tapfer versuchte, war Adam mehr als zwei Sekunden lang nicht imstande, Sam in die Augen zu schauen. Er beschäftigte sich damit, auf seinem Block wichtige Notizen zu machen, und während er die Eintragungen numerierte, konnte er die Hitze spüren, die von Sams Blick ausging. Endlich schob Adam eine Visitenkarte durch die Öffnung. »Mein Name ist Adam Hall. Ich bin Anwalt bei Kravitz & Bane, Chicago und Memphis.«
    Sam nahm geduldig die Karte und studierte ihre Vorder und Rückseite. Adam folgte jeder seiner Bewegungen. Seine Finger waren runzlig und von Zigarettenrauch braun verfärbt. Sein Gesicht war blaß, die einzige Farbe kam von den fünf Tage alten, schwarzweiß melierten Bartstoppeln. Sein Haar war lang, grau und fettig und straff zurückgekämmt. Adam erkannte rasch, daß er keinerlei Ähnlichkeit hatte mit den Aufnahmen auf dem Video. Und auch nicht mit den letzten bekannten Fotos von ihm, denen von dem Prozeß 1981. Er war jetzt ein ziemlich alter Mann, mit dünner, teigiger Haut und zahlreichen Fältchen um die Augen herum. Tiefe Alters- und Kummerfurchen durchzogen seine Stirn. Das einzig Attraktive an ihm waren die durchdringenden, indigoblauen Augen, die sich inzwischen von der Karte gehoben hatten. »Ihr Juden gebt wohl nie auf?« sagte er mit einer angenehmen, gelassenen Stimme, in der keine Spur von Zorn lag.
    »Ich bin kein Jude«, sagte Adam. Er schaffte es, den Blick zu erwidern.
    »Wie können Sie dann für Kravitz & Bane arbeiten?« fragte er, nachdem er die Karte beiseite gelegt hatte. Seine Worte waren leise und langsam und wurden gesprochen mit der Geduld eines Mannes, der neuneinhalb Jahre allein in einer einsachtzig mal zwei Meter siebzig großen Zelle verbracht hat.
    »In unserer Firma herrscht

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