Die Kampagne
Hochzeitskleid! Anna lächelte bei dem Gedanken, und sie spürte tatsächlich ein Kribbeln auf der Haut ... auch bei dem Gedanken, Shaw im Smoking zu sehen. Anna hatte keinen Zweifel, dass er toll aussehen würde.
Angesichts der weltweiten Krise wirkte es beinahe absurd, über Kleider und Hochzeiten nachzudenken, doch wenn die Welt schon kurz davor stand, in die Luft zu fliegen, wollte Anna wenigstens die Beziehung zu dem Mann legalisieren, den sie liebte.
Ein paar Minuten später war sie so sehr in ihre Arbeit vertieft, dass sie nicht hörte, was unten vorging.
Vorder- und Hintereingang des Gebäudes flogen auf, und zwölf Männer in langen Mänteln stürmten ins Innere, zogen schallgedämpfte Waffen unter den Mänteln hervor und feuerten.
Als sie ins Foyer stürmten, hatte die Empfangsdame gerade den Hörer abgehoben, doch die Leitung war tot. Einen Sekundenbruchteil später hatte die Frau eine Kugel im Kopf. Sie rutschte vom Stuhl und fiel schlaff hinter ihren Schreibtisch. Das Blut aus der Kopfwunde tränkte ihr Kleid. Unglücklicherweise hatte ein Analyst mittleren Alters genau diesen Augenblick gewählt, um das Foyer zu betreten. Eine Sekunde später lag auch er tot am Boden. Ein paar der Bewaffneten drangen in den Keller vor. Andere bewegten sich im Erdgeschoss von Raum zu Raum, traten Türen auf und töteten jeden, der ihnen vor den Lauf kam. Wieder andere stürmten in den ersten Stock hinauf. Insgesamt hielten sich an diesem Tag achtunzwanzig Personen im Institut auf. Kein Einziger würde an diesem Abend nach Hause gehen.
Als die Schreie bis zu Anna drangen, glaubte sie zuerst, jemand habe sich verletzt. Sie sprang auf und eilte zur Tür. Als sie ein gedämpftes Geräusch vernahm, erkannte sie zuerst nicht, was es war. Dann hörte sie es erneut - und da wusste sie, was es war.
Ein Schuss.
Anna hörte Rufe, dann weitere Schüsse.
Sie warf die Tür zu, schloss ab, rannte zu ihrem Schreibtisch und riss den Hörer vom Telefon. Die Leitung war tot. Sie schnappte sich ihre Handtasche vom Regal und wühlte das Handy hervor. Irgendwo im Gebäude erklang das Geräusch von Schritten. Wieder hörte Anna Schüsse, Schreie und dumpfe Aufschläge, als Leichen zu Boden fielen. Sie versuchte, Ruhe zu bewahren, doch ihre Hände zitterten so heftig, dass sie das verdammte Handy kaum halten konnte.
Mit fliegenden Fingern wählte sie die Notrufnummer und beobachtete ungläubig, wie das Handy erfolglos eine Verbindung herzustellen versuchte. Dabei rief sie mit dem Handy doch ständig aus diesem Gebäude an! Was war los? Sie schaute auf das winzige Display und sah, dass die Verbindungsstärke gleich null war. Anna versuchte es erneut, wieder ohne Erfolg. Schließlich warf sie ihr Handy weg und rannte zum Fenster. Sie befand sich im dritten Stock, doch ihr blieb keine Wahl. Sie hörte Schritte die Treppe hinaufkommen. Ihr Büro war das letzte im Gang. Trotzdem blieb ihr höchstens eine Minute, wenn überhaupt.
Anna versuchte mit aller Kraft, das Fenster aufzuschieben. Die Fassade war vor Kurzem gestrichen worden, und Anna sah entsetzt, dass die Rahmen mit Farbe verklebt waren. Sie grub die Fingernägel in den Holzrahmen und bot das letzte bisschen Kraft auf, jedoch vergebens.
Die Schritte waren jetzt auf dem Flur. Anna hörte, wie eine Tür aufgetreten wurde, gefolgt von einem Schrei. Dann schlug ein weiterer Leichnam auf dem Boden auf.
Trotz ihrer Panik kam Anna eine Idee. Sie schnappte sich ein Buch vom Schreibtisch, zerschlug damit die Fensterscheibe und stieß die Splitter aus dem Rahmen. Dann lehnte sie sich aus dem Fenster und schrie.
»Hilfe! Ruft die Polizei!«
Unglücklicherweise war es eine sehr ruhige Straße, und die Nachbarhäuser standen derzeit leer. Niemand war unten, der Anna hätte hören können. Sie sah einen Van, der am Straßenrand parkte. Sie wollte gerade etwas danach werfen, als sie die kleine Antennenschüssel auf dem Dach des Fahrzeugs bemerkte. Die Schüssel war genau auf das Gebäude gerichtet. Deshalb bekam sie kein Netz für ihr Handy! Was immer in dem Van war, blockierte die Verbindung. Anna schaute die Sackgasse hinauf und hinunter und sah eine Straßensperre an einem Ende.
Zum Teufel, was war hier los?
Anna zog die Pumps aus, kletterte auf den Fenstersims und schaute nach unten. Da war ein Vordach über einem Fenster im ersten Stock. Wenn ich darauf lande und mich auf die Straße herunterlasse ...
Anna hatte keine Ahnung, ob jemand im Van war. Sie wusste nur, dass sie so gut wie
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