Die Kampagne
Veränderungen gekommen. Creels derzeitige Miss Hottie war von ihm gelangweilt, und ihre einzige Eigenschaft, die ihn interessierte, hatte schon lange ihre Anziehungskraft verloren. Creel beschloss, diesmal nach ein wenig mehr Hirn zu suchen, natürlich verbunden mit einem außergewöhnlichen Äußeren. Er liebte es, sich mit schönen Dingen zu umgeben.
Creel begann seine Rede mit einem Hinweis auf das Londonmassaker, wie die Medien es inzwischen so gefühllos nannten. Dann bat er um ein paar Augenblicke des Schweigens aus Respekt vor den Toten. Creel hielt es für eine nette Geste. Er senkte den Kopf und dachte sogar tatsächlich an die Toten und ihre Familien. Und dabei wurden wirklich und wahrhaftig seine Augen feucht. Es war schrecklich. Creel tat es leid, dass er dazu gezwungen gewesen war. Hätte es einen anderen Weg gegeben ... was für eine Tragödie. Die Welt war so verdammt kompliziert geworden, und Gut und Böse waren manchmal nur schwer auseinanderzuhalten.
Schließlich hob Creel wieder den Kopf und schaute in von Tränen schimmernde Augen. Es war ein magischer Augenblick. In diesen paar Sekunden war ein Band zwischen ihm und seinen Zuhörern entstanden. Sie waren nun enger zusammen. Wie nach jeder Katastrophe war die Welt auch nach dem Londonmassaker ein Stück mehr zusammengewachsen. Es war kein Zufall, dass die größten amerikanischen Präsidenten ihr Amt in Kriegszeiten ausgeübt hatten. Bewaffnete Konflikte hatten nun mal diese Wirkung. Entweder flog man in ungeahnte Höhen, oder man stürzte ab. Dazwischen gab es nichts, und nirgends konnte man sich verstecken. Es war der perfekteste Ansporn, den die Geschichte zu bieten hatte. Nur durch Verlust, so glaubte Creel, erkannten die Menschen das wahre Potenzial des Lebens.
Als er gut zehn Minuten später seine Dankesrede beendete und an seinen Platz zurückkehrte, während er dankbar die stehenden Ovationen entgegennahm, dachte er kurz über Caesars Nachricht nach.
Es war wirklich ein bemerkenswerter Abend gewesen, selbst für ihn.
Caesar und Pender glaubten ohne Zweifel, dass es hier nur ums Geld gehe und dass die wirtschaftliche Rettung von Ares das einzige Ziel der ganzen Sache sei. Sicher war das einer der Gründe, aber nicht der einzige, nicht einmal der wichtigste. Nur er, Nicolas Creel, wusste, warum er tat, was er tat. Hätten die Leute seine Motive gekannt, hätten sie ihm noch mehr applaudiert; dessen war er sicher. Manchmal heiligte der Zweck tatsächlich die Mittel. Dieses alte Klischee mochte heutzutage abgenutzt sein, aber es enthielt einen wahren Kern, von dem Creel glaubte, dass die meisten Menschen ihn bald erkennen würden.
Ja, der Zweck heiligt die Mittel, aber nur, wenn der Zweck es auch wert ist. Das aber war nur selten der Fall. Jede Unternehmung der Menschheit musste für sich bewertet werden. Egal ob es sich um die teure medizinische Behandlung eines Neunzigjährigen handelte, der ohnehin nur noch kurze Zeit zu leben hatte, oder um die Frage, ob ein Ölfeld nicht ausgebeutet werden durfte, um eine seltene Eulenart vor dem Aussterben zu bewahren. Auch der Einsatz von Billionen Dollar und das Opfer Hunderttausender Menschenleben, um in muslimischen Ländern einen Brückenkopf der Demokratie zu errichten, fielen in diese Kategorie. Solche Entscheidungen wurden jeden Tag gefällt. Und egal, wie diese Entscheidungen ausfielen - irgendjemand wurde in Mitleidenschaft gezogen. Oft starben Menschen, sehr viele Menschen, und Existenzen wurden zerstört, doch die Entscheidungen mussten nun einmal getroffen werden. Und genau das hatte Creel getan. Tatsächlich hatte er sogar mit mehr Umsicht und Verstand gehandelt als die meisten Regierungen, wenn sie ähnlich monumentale Projekte in Angriff nahmen. Vor allem hatte Creel eine Rückzugsstrategie für den Fall, dass sein Plan fehlschlug.
Auf dem Empfang, der der Preisverleihung folgte, lernte Creel mehrere Frauen kennen, die sich als zukünftige Geliebte eignen würden, nicht jedoch als Ehefrau - was das betraf, stand seine Entscheidung fest. Diese Frauen waren stets bei solchen Ereignissen anzutreffen, auch solche mit Abschlüssen von Elite-Unis, und Creel war schlichtweg zu reich und hatte viel zu gute gesellschaftliche Kontakte, als dass man ihn einfach hätte ignorieren können.
Später, als die große, elegante Frau, die er für einen Drink erwählt hatte, in seine Limousine stieg, hatte Creel das Gefühl, dass in seinem Leben nie wieder etwas schiefgehen würde.
Er beschloss,
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