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Die Kandidaten

Die Kandidaten

Titel: Die Kandidaten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Archer
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Morgen
    nach der Andacht vor der Aula standen und darauf warteten,
    dass die Jungen in ihre Klassenzimmer gingen.
    »Brillant«, gab Fletcher zu.

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    »Das fürchte ich auch«, meinte Jimmy. »Nicht, dass ich mich
    beschweren könnte, denn genau das hätte ich dir unter diesen
    Umständen auch empfohlen.«
    Die beiden starrten zu Steve Rodgers hinüber, der auf Krücken
    vor dem Ausgang der Aula stand und den Jungen erlaubte, sein
    Gipsbein zu signieren.
    »Ein Geniestreich«, wiederholte Jimmy. »Es verleiht dem
    Begriff Mitleidswahl eine völlig neue Bedeutung. Vielleicht
    sollten wir die Frage aufwerfen, wer schon einen Krüppel zum
    Präsidenten will?«
    »Einer der großartigsten Präsidenten in der Geschichte dieses
    Landes
    war
    ein
    Krüppel«,
    rief
    Fletcher
    seinem
    Wahlkampfmanager ins Gedächtnis.
    »Dann bleibt uns nur noch eines zu tun«, sagte Jimmy. »Du
    musst die nächsten vierundzwanzig Stunden im Rollstuhl
    verbringen.«

    *

    Am Entscheidungswochenende versuchten Nats Helfer, eine
    Aura der Zuversicht zu verbreiten, obwohl ihnen klar war, dass
    es knapp werden würde. Beide Kandidaten lächelten
    unaufhörlich bis Montagabend, als die Schuluhr sechs Mal
    schlug.
    »Lass uns auf mein Zimmer gehen«, schlug Tom vor. »Wir
    können uns gegenseitig Königsmordgeschichten erzählen.«
    »Traurige Geschichten«, sagte Nat.
    Sein Team drängte sich vollzählig in Toms kleines Zimmer
    und tauschte Anekdoten aus über die Rollen, die sie im
    Wahlkampf gespielt hatten. Sie lachten über Witze, die nicht

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    lustig waren, während sie ungeduldig auf das Ergebnis der Wahl
    warteten.
    Ein lautes Klopfen an der Tür unterbrach ihren ausgelassenen
    Lärm. »Herein«, rief Tom.
    Sie standen alle auf, als sie sahen, wer in der Tür stand.
    »Guten Abend, Mr Anderson«, sagte Nat.
    »Guten Abend, Cartwright,«, erwiderte der Dekan förmlich.
    »Als Wahlleiter muss ich Ihnen mitteilen, dass ich aufgrund der
    Knappheit des Ergebnisses eine neuerliche Auszählung der
    Stimmen veranlasst habe. Die Schülerversammlung wird daher
    auf zwanzig Uhr verschoben.«
    »Danke, Sir.« Mehr brachte Nat nicht heraus.
    Um acht Uhr saß jeder Junge auf seinem Platz. Sie erhoben
    sich pflichtschuldigst, als der Dekan die Aula betrat. Nat
    versuchte, das Ergebnis aus seinem Gesichtsausdruck zu lesen,
    aber selbst die Japaner wären stolz auf die Unergründlichkeit
    von Mr Andersons Gesicht gewesen.
    Der Dekan ging zur Mitte der Bühne und bat die Anwesenden
    sich zu setzen. Es herrschte eine Stille, wie es sie bei normalen
    Zusammenkünften selten gab.
    »Ich muss Ihnen sagen«, begann der Dekan, »das dieses
    Ergebnis das knappste in der fünfundsiebzigjährigen Geschichte
    dieser Schule ist.« Nat spürte, wie seine Handflächen feucht
    wurden, während er versuchte, äußerlich ruhig zu bleiben. »Die
    Wahl zum Schülerpräsidenten fiel wie folgt aus: Nat Cartwright
    178 Stimmen, Ralph Elliot 181 Stimmen.«
    Die halbe Versammlung sprang auf die Beine und jubelte,
    während die andere Hälfte sitzen blieb und schwieg. Nat erhob
    sich, ging zu Elliot und bot ihm die Hand an.
    Der neue Präsident ignorierte sie.

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    *

    Obwohl alle wussten, dass das Ergebnis erst um neun Uhr
    bekannt gegeben würde, war die Aula schon lange vor dem
    Eintreffen des Direktors voll.
    Fletcher saß in der hintersten Reihe, den Kopf gesenkt,
    während Jimmy geradeaus starrte. »Ich hätte heute Morgen
    früher aufstehen sollen«, meinte Fletcher.
    »Ich hätte dir das Bein brechen sollen«, erwiderte Jimmy.
    Der Direktor marschierte in Begleitung des Kaplans den
    Mittelgang hinunter, als ob er zeigen wolle, dass Gott irgendwie
    daran beteiligt war, wer zum Schülerpräsidenten in Hotchkiss
    wurde. Dann trat der Direktor an den Bühnenrand und räusperte
    sich.
    »Hier das Ergebnis der Wahl zum Schülerpräsidenten«,
    verkündete Mr Fleming. »Fletcher Davenport 207 Stimmen,
    Steve Rodgers 173 Stimmen. Ich erkläre hiermit Fletcher
    Davenport zum Präsidenten.«
    Fletcher ging sofort zu Steve und schüttelte ihm die Hand.
    Steve lächelte herzlich, wirkte fast erleichtert. Fletcher drehte
    sich um und entdeckte Harry Gates neben der Tür. Der Senator
    verbeugte sich respektvoll vor dem neuen Präsidenten.
    »Deinen ersten Wahlsieg wirst du nie vergessen«, sagte er nur.
    Sie ignorierten beide Jimmy, der auf und ab sprang und sich
    einfach nicht bremsen konnte.
    »Ich glaube, Sie kennen bereits meinen Vizepräsidenten, Sir«,
    sagte

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