Die Kandidaten
in ihrem eigenen Land mit Verachtung gestraft wurde, weil
sie von einem Ausländer ein Kind erwartete. Und bei ihrer
Ankunft in diesem Land war sie auch nicht willkommen. Das ist
der Grund, warum ich so streng erzogen wurde. Wie so viele
Einwandererkinder bin ich nicht klüger als meine Mutter, aber
indem sie alles opferte, um mir eine erstklassige Ausbildung zu
finanzieren, hat sie mir eine bessere Chance im Leben
ermöglicht, als sie sie je hatte. Vielleicht verstehst du jetzt,
warum ich immer versuche, ihre Wünsche zu respektieren.«
»Ja, das verstehe ich«, sagte Nat, »und jetzt, da ich deine
Mutter getroffen habe, möchte ich, dass du auch meine triffst,
weil ich mindestens ebenso stolz auf sie bin.«
Su Ling lachte.
»Warum lachst du, kleine Blume?«, fragte Nat.
»Wenn ein Mann in meinem Land die Mutter eines Mädchens
trifft, heißt das, dass er eine Beziehung wünscht. Wenn der
Mann das Mädchen anschließend bittet, seine Mutter kennen zu
lernen, ist das gleichbedeutend mit einer Verlobung. Wenn er
die Frau dann jedoch nicht heiratet, muss sie den Rest ihres
Lebens als Blaustrumpf verbringen. Aber ich werde dieses
Risiko eingehen, denn als du gestern gelaufen bist, hat Tom
mich gebeten, ihn zu heiraten.«
Nat beugte sich nach unten und küsste sie auf die Lippen, dann
stellte er sachte seine beiden Füße auf die ihren. Su Ling
lächelte. »Ich liebe dich auch«, sagte sie.
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»WAS HAST DU FÜR EIN GEFÜHL?«, fragte Jimmy.
»Keine Ahnung.« Fletcher sah zum Tisch des Staatsanwalts
hinüber, doch in dessen Team zeigte keiner eine Gefühlsregung,
weder ängstlich noch zuversichtlich.
»Du könntest immer noch Professor Abrahams nach seiner
Meinung fragen«, meinte Annie.
»Ist er etwa noch da?«
»Ich habe ihn vor wenigen Augenblicken im Flur auf und ab
tigern sehen.«
Fletcher verließ den Tisch, öffnete die niedrige Holzpforte, die
den Gerichtssaal vom Publikumsbereich trennte, und ging rasch
hinaus in den Flur. Er sah die breite Marmorflucht hinauf und
hinunter, entdeckte den Professor jedoch erst, als sich die Menge
vor der Treppe in der Rundhalle teilte und ein vornehm
wirkender Mann zum Vorschein kam, der mit gesenktem Kopf
in der Ecke saß und sich auf einem Block Notizen machte.
Gerichtsbedienstete und Zuschauer eilten an ihm vorüber, ohne
sich seiner Anwesenheit bewusst zu sein. Zögernd ging Fletcher
auf ihn zu und sah dem alten Mann beim Schreiben zu. Er hatte
das Gefühl, ihn nicht stören zu dürfen, also wartete er, bis der
Professor endlich aufsah.
»Ah, Davenport.« Abrahams klopfte neben sich auf die Bank.
»Setzen Sie sich. Sie schauen so fragend. Wie kann ich Ihnen
helfen?«
Fletcher setzte sich neben ihn. »Ich wollte Sie nur fragen,
warum die Geschworenen Ihrer Meinung nach so lange tagen.
Sollte ich da etwas hineinlesen?«
Der Professor sah auf die Uhr. »Etwas mehr als fünf Stunden.
Nein, das ist für ein Kapitalverbrechen nicht sehr lange. Die
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Geschworenen wollen einem immer das Gefühl vermitteln, dass
sie ihre Aufgabe ernst nehmen, außer es wäre ein Routinefall,
was hier ja ganz und gar nicht zutrifft.«
»Haben Sie eine Vermutung, wie es ausgehen wird?«,
erkundigte sich Fletcher besorgt.
»Die Geschworenen kann man niemals durchschauen, Mr
Davenport. Zwölf Menschen, die zufällig ausgewählt wurden
und kaum etwas gemeinsam haben. Obwohl ich sagen muss,
dass sie mir mit wenigen Ausnahmen als ein recht fairer Haufen
vorkamen. Wie lautet nun Ihre nächste Frage?«
»Keine Ahnung, Sir. Wie lautet denn meine nächste Frage?«
»Was soll ich tun, wenn das Urteil gegen mich ausfällt?«
Abrahams schwieg kurz. »Eine Eventualität, auf die Sie stets
vorbereitet sein müssen.« Fletcher nickte. »Die Antwort? Sie
bitten den Richter unverzüglich, Berufung einlegen zu dürfen.«
Der Professor riss ein Blatt von dem gelben Schreibblock ab und
reichte es seinem Schüler. »Ich hoffe, Sie halten mich nicht für
anmaßend, aber ich habe für jede Eventualität ein paar einfache
Stichworte vorbereitet.«
»Auch für einen Schuldspruch?«, fragte Fletcher.
»Es besteht kein Grund, jetzt schon so pessimistisch zu sein.
Zuerst müssen wir die Möglichkeit bedenken, dass sich die
Geschworenen nicht einig werden. Ich habe in der Mitte der
zweiten Reihe eine Geschworene entdeckt, die unsere
Mandantin kein einziges Mal ansah, während diese im
Zeugenstand saß. Und ich habe bemerkt, dass auch Ihnen
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