Die Kane-Chroniken, Band 1: Die rote Pyramide
ergoss sich ein ekelerregender Teppich Hunderter brauner Krabbelviecher – Scheren und Stacheln ohne Ende.
Ich wollte »Skorpione!« schreien, aber meine Stimme versagte. Meine Beine fingen zu zittern an. Ich hasse Skorpione. In Ägypten sind sie überall. Ich hatte sie oft in meinem Hotelbett oder der Dusche gefunden. Einmal war sogar einer in meiner Socke.
»Sadie!«, rief Bastet eindringlich.
»Es klappt einfach nicht!«, stöhnte Sadie.
Es kamen immer mehr Skorpione – Tausende und Abertausende. Zwischen den Bäumen tauchte eine Frau auf, unerschrocken schritt sie mitten durch die Spinnentiere. Sie trug braune Gewänder und an ihrem Hals und den Armen funkelte Goldschmuck. Ihr langes schwarzes Haar war nach altägyptischer Mode geschnitten, auf ihrem Kopf thronte eine seltsame Krone. Plötzlich wurde mir klar, dass es keine Krone war – ein lebender Riesenskorpion hatte es sich auf ihrem Kopf gemütlich gemacht. Tausende der kleinen Widerlinge wuselten um sie herum, als sei sie das Zentrum der Invasion.
»Selket«, knurrte Bastet.
»Die Skorpiongöttin«, riet ich. Vielleicht hätte mir das noch mehr Angst einjagen sollen, allerdings war das kaum möglich. »Kannst du es mit ihr aufnehmen?«
Bastets Gesichtsausdruck war nicht gerade beruhigend.
»Carter, Sadie«, sagte sie, »das wird unschön. Geht zum Museum. Sucht den Tempel. Vielleicht schützt er euch.«
»Welchen Tempel?«, fragte ich.
»Und was ist mit dir?«, fügte Sadie hinzu.
»Ich schaff das schon. Ich komme nach.« Doch als Bastet mich anschaute, wusste ich, dass sie sich nicht sicher war. Sie wollte bloß Zeit gewinnen.
»Geht!«, befahl sie. Sie drehte die riesige grüne Katzenkriegerin, bis sie der Skorpioninvasion gegenüberstand.
Die peinliche Wahrheit? Beim Anblick dieser Skorpione versuchte ich nicht mal so zu tun, als wäre ich mutig. Ich packte Sadies Arm und wir rannten los.
SADIE
11.
Wir treffen den menschlichen Flammenwerfer
So, jetzt übernehme ich das Mikrofon. Nie im Leben würde Carter diesen Teil ordentlich erzählen, schließlich geht es um Zia. [Halt die Klappe, Carter. Du weißt, dass es stimmt.]
Ach, wer Zia ist? Entschuldigung, ich habe vorausgegriffen.
Wir flitzten zum Eingang des Museums. Bis auf den Umstand, dass eine riesige leuchtende Katzenfrau es uns befohlen hatte, hatte ich keine Ahnung, warum. Ihr solltet wissen, dass ich nach allem, was passiert war, bereits ziemlich am Ende war. Erstens hatte ich meinen Vater verloren. Zweitens hatten mich meine liebenden Großeltern aus dem Haus geworfen. Dann hatte ich herausgefunden, dass ich zum »Geschlecht der Pharaonen« gehörte, einer Magierfamilie entstammte und allen möglichen anderen Blödsinn, der zwar ziemlich beeindruckend klang, mir jedoch nur jede Menge Ärger eingebracht hatte. Als ich endlich ein neues Zuhause gefunden hatte – und zwar eine Villa mit anständigem Frühstück, freundlichen Haustieren und einem ziemlich netten Zimmer für mich –, verschwand Onkel Amos, meine schnuckeligen neuen Krokodil- und Paviankumpels fielen in den Fluss und die Villa wurde abgefackelt.
Und als ob das noch nicht genug wäre, hatte meine treue Katze Muffin beschlossen, einen hoffnungslosen Kampf gegen einen Schwarm Skorpione aufzunehmen.
Heißt es »Schwarm« bei Skorpionen? Rudel? Herde? Ach, ist ja auch egal.
Vor allem konnte ich nicht fassen, dass ich ein magisches Portal öffnen sollte, obwohl ich dazu eindeutig nicht in der Lage war. Und jetzt zerrte mich auch noch mein Bruder davon. Ich kam mir wie die totale Versagerin vor. [Spar dir jeglichen Kommentar, Carter. Wenn ich mich recht entsinne, warst du in diesem Moment auch keine große Hilfe.]
»Wir können Bastet nicht einfach alleinlassen!«, rief ich. »Schau dir das an!«
Carter rannte weiter und schleifte mich hinterher, aber ich konnte ziemlich deutlich sehen, was sich hinter uns am Obelisken abspielte. Unzählige Skorpione waren Bastets leuchtend grüne Beine hochgeklettert und krabbelten in das Hologramm, als wäre es aus Gelatine. Bastet zerquetschte Hunderte von ihnen mit Händen und Füßen, aber es waren einfach zu viele. Bald reichten sie ihr bis zur Taille und ihre geisterhafte Avatarhülle fing zu flackern an. Die braun gewandete Göttin kam langsam immer näher. Mein Gefühl sagte mir, dass sie schlimmer war als alle Skorpione zusammen.
Carter zerrte mich durch eine Reihe von Büschen und ich konnte Bastet nicht mehr sehen. Wir stürzten auf die Fifth Avenue, die mir nach
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