Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron
»Schlechtes Nutella.«
Der Mondgott zog eine Augenbraue hoch. »Du liebe Zeit, Re ist ja echt ziemlich neben der Spur, was? Aber es stimmt, Carter Kane. Du hast absolut Recht. Ich bin der Mondgott; trotzdem habe ich auch Einfluss auf die Zeit. Ich kann das Leben der Sterblichen verkürzen oder verlängern. Meine Kräfte können sich selbst auf Götter auswirken. Der Mond ist wandelbar, verstehst du? Sein Licht nimmt zu und ab. In meinen Händen kann die Zeit ebenfalls zu- und abnehmen. Ihr braucht – wie viel, ungefähr drei Stunden? Wenn du und deine Schwester bereit seid, darum zu spielen, kann ich euch diese Stunden aus Mondlicht zusammenweben. Ich kann es einrichten, dass die Tore des Achten Hauses sich noch nicht ganz schließen.«
Ich hatte keine Ahnung, wie er das schaffen wollte – die Zeit zurückdrehen und der Nacht drei zusätzliche Stunden hinzufügen –, doch zum ersten Mal seit Haus Sonnenschein fühlte ich einen Hoffnungsschimmer. »Wenn du uns helfen kannst, warum schenkst du uns dann nicht einfach die zusätzliche Zeit? Das Schicksal der Welt steht auf dem Spiel.«
Chons lachte. »Der ist gut! Euch Zeit schenken ! Nein, echt. Wenn ich anfangen würde, etwas so Kostbares einfach zu verschenken, wäre das das Ende von Maat. Außerdem kann man Senet nicht ohne Einsatz spielen. Das wird dir Bes bestätigen.«
Bes spuckte ein Schokoladenheuschreckenbein aus. »Tu es nicht, Carter. Weißt du, was man früher über Chons gesagt hat? In einigen Pyramiden ist ein Gedicht über ihn in die Steinblöcke gemeißelt. Es wird die ›Kannibalenhymne‹ genannt. Für den entsprechenden Preis half Chons dem Pharao, jeden Gott zu ermorden, der ihm auf die Nerven ging. Chons verschlang ihre Seelen und eignete sich ihre Stärke an.«
Der Mondgott verdrehte die Augen. »Olle Kamellen, Bes! Ich habe seit … welchen Monat haben wir? März? … keine Seele mehr verschlungen. Ich habe mich total an diese moderne Welt angepasst. Mittlerweile bin ich ziemlich kultiviert. Ihr solltet mein Penthouse im Luxor in Las Vegas sehen. Also, ehrlich! Amerika ist ein zivilisiertes Land!«
Er lächelte mich an, seine Silberaugen funkelten noch immer wie die eines Hais. »Also, was meinst du, Carter? Sadie? Spielt Senet mit mir. Drei Steine für euch, drei für mich. Ihr braucht drei Stunden Mondlicht, also braucht ihr noch eine zusätzliche Person als Einsatz. Für jeden meiner Steine, den ihr rauswerft, gewähre ich euch eine zusätzliche Stunde. Falls ihr gewinnt, macht das drei Extrastunden – gerade genug Zeit, um durch die Tore des Achten Hauses zu kommen.«
»Und falls wir verlieren?«, fragte ich.
»Ach … wisst ihr.« Chons winkte mit der Hand ab, als wäre das eine lästige Nebensache. »Für jeden Stein, den ich rauswerfe, werde ich den Ren von einem von euch dreien nehmen.«
Sadie beugte sich vor. »Du nimmst unsere geheimen Namen – du meinst, wir müssten ihn mit dir teilen?«
»Teilen …« Chons strich über seinen Pferdeschwanz, als versuche er, sich an die Bedeutung des Wortes zu erinnern. »Nein, nein, nicht teilen. Ich werde euren Ren verschlingen , das meinte ich.«
»Und Teile unserer Seele vernichten«, übersetzte Sadie. »Uns unsere Erinnerungen nehmen, unsere Identität.«
Der Mondgott zuckte die Achseln. »Positiv betrachtet, müsstet ihr nicht sterben. Ihr würdet euch bloß –«
»In Scheintote verwandeln?«, vermutete Sadie. »Wie Re dort?«
»Scheintot, kein Brot«, brummte Re verärgert. Er versuchte, auf Bes’ Hemd herumzukauen, doch der Zwergengott sprang zur Seite.
»Drei Stunden«, sagte ich. »Als Einsatz gegen drei Seelen.«
»Carter, Sadie, ihr müsst das nicht tun«, mischte sich meine Mutter ein. »Wir erwarten nicht von euch, dass ihr das Risiko eingeht.«
Ich hatte sie so oft auf Bildern und in meiner Erinnerung gesehen, aber zum ersten Mal fiel mir auf, wie ähnlich sie Sadie sah – oder wie sehr ihr Sadie allmählich ähnelte. Beide hatten diese wilde Entschlossenheit im Blick. Beide hoben das Kinn, wenn Streit anstand. Und sie konnten beide ihre Gefühle nur schlecht verbergen. Ich hörte Moms zittriger Stimme an, dass ihr klar war, was passieren würde. Sie versuchte uns einzureden, wir hätten die Wahl, doch sie wusste sehr wohl, dass dem nicht so war.
Ich sah Sadie an und wir trafen eine schweigende Übereinkunft.
»Mom, ist schon in Ordnung«, sagte ich. »Du hast dein Leben geopfert, um Apophis’ Kerker zu schließen. Wie können wir da einen
Weitere Kostenlose Bücher