Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron
sorgen, dass es uns richtig dreckig geht.«
»Und deshalb brauchen wir Re.« Amos bemühte sich nun um einen besonnenen und ruhigen Tonfall. Er strahlte eine solche Gelassenheit aus, dass sogar ich ein bisschen weniger Angst hatte. Ich überlegte, ob es eine Form von Magie war oder ob er den Jüngsten Tag einfach nur besser erklärte als ich.
»Re war Apophis’ Erzfeind«, fuhr er fort. »Re ist der Herr der Ordnung, Apophis hingegen der Herr des Chaos. Seit Anbeginn aller Zeiten lagen diese beiden Kräfte miteinander im Streit, um einander zu zerstören. Falls Apophis zurückkommt, müssen wir sicherstellen, dass Re auf unserer Seite steht, um die Schlange zu bekämpfen. Dann haben wir eine Chance.«
»Eine Chance«, wiederholte Walt. »Vorausgesetzt, wir können Re finden und ihn aufwecken und der Rest des Lebenshauses bringt uns nicht vorher um.«
Amos nickte. »Doch wenn wir Re wecken können, wäre das eine Meisterleistung, die alles übertrifft, was irgendein Magier je erreicht hat. Es würde Desjardins dazu bringen, sich alles noch mal zu überlegen. Der Oberste Vorlesepriester … nun, es hat den Anschein, als würde er nicht klar denken, aber er ist nicht dumm. Er ist sich sehr wohl bewusst, dass Apophis möglicherweise aus seinem Kerker in der Duat ausbricht. Wir müssen ihn davon überzeugen, dass wir auf derselben Seite stehen, dass der Weg der Götter der einzige Weg ist, Apophis zu besiegen. Das wäre mir lieber, als gegen ihn zu kämpfen.«
Ich persönlich hatte mehr Lust, Desjardins eine reinzuhauen und seinen Bart anzuzünden, aber vermutlich hatte Amos Recht.
Clio, das arme Ding, war mittlerweile grün wie ein Frosch. Sie war den ganzen Weg von Brasilien nach Brooklyn gekommen, um den Weg Thots zu lernen, der der Gott des Wissens war, und wir hatten sie schon als unsere zukünftige Bibliothekarin gesehen; doch wenn diese Gefahren real waren und nicht nur auf irgendwelchen Buchseiten standen … Sie hatte, tja, einen empfindlichen Magen. Hoffentlich schaffte sie es im Notfall zur Terrassenbrüstung.
»Die – die Schriftrolle«, brachte sie heraus, »du sagtest, es gäbe noch zwei weitere Teile?«
Ich nahm die Papyrusrolle. Im Tageslicht sah sie noch zerbrechlicher aus – brüchig und vergilbt und als würde sie sich jeden Moment auflösen. Meine Finger zitterten. Ich konnte spüren, wie Magie in dem Papyrus vibrierte – als stünde er schwach unter Strom. Ich fühlte ein unwiderstehliches Bedürfnis, den Papyrus zu öffnen.
Ich fing an, den Zylinder aufzurollen. Carter sah angespannt zu.
Amos sagte: »Sadie …«
Bestimmt erwarteten sie, dass Brooklyn wieder in Flammen aufgehen würde, doch nichts passierte. Ich breitete die Rolle aus und sah, dass es nur irgendein Kauderwelsch war – keine Hieroglyphen, keine Sprache, die ich wiedererkannt hätte. Die Unterkante des Papyrus war ausgefranst, als hätte man ihn durchgerissen.
»Wahrscheinlich ergeben die Teile ein Ganzes«, sagte ich. »Das Buch lässt sich nur lesen, wenn man alle drei Teile aneinanderlegt.«
Carter wirkte beeindruckt. Mal ehrlich, mit ein paar Sachen kenne ich mich aus. Bei unserem letzten Abenteuer hatte ich eine Schriftrolle vorgelesen, wie man Seth verbannt, und es hatte ziemlich ähnlich funktioniert.
Cheops sah von seinem Jell-O auf. » Agh! « Er legte drei schleimige Trauben auf den Tisch.
»Genau«, stimmte Bastet zu. »Wie Cheops sagt, die drei Abschnitte des Buchs repräsentieren die drei Erscheinungsformen von Re – Morgen, Mittag und Nacht. Die Schriftrolle dort ist der Zauberspruch von Chnum. Nun müsst ihr die anderen beiden finden.«
Wie Cheops das alles in einem Grunzer untergebracht hatte, war mir schleierhaft, doch ich würde gern meinen ganzen Schulunterricht bei Pavianlehrern absolvieren, denn dann könnte ich Middle School und High School in einer Woche abhaken.
»Und die zwei anderen Trauben«, sagte ich, »also, ich wollte sagen, die beiden anderen Schriftrollen … Wenn meine Vision von letzter Nacht stimmt, werden sie nicht leicht zu finden sein.«
Amos nickte. »Der erste Abschnitt ging schon vor Ewigkeiten verloren. Der mittlere befindet sich im Besitz des Lebenshauses. Man hat ihn mehrfach an einen anderen Ort gebracht und er wird immer streng bewacht. Deiner Vision nach zu urteilen, würde ich sagen, dass sich die Schriftrolle momentan im Besitz von Wladimir Menschikow befindet.«
»Das ist der Eisverkäufer«, riet ich. »Wer ist das?«
Amos zeichnete etwas auf den
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