Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron

von Anubis? Irgendwie bezweifelte ich, dass das hier die passende Situation war, jemandem den Mund zu öffnen.
    Das Amulett von Walt? Ich hatte keinen blassen Schimmer, wie ich es einsetzen sollte.
    Zum tausendsten Mal bedauerte ich, dass Isis nicht mehr in meinem Kopf war. Das komplette magische Arsenal einer Göttin hätte ich wirklich gut brauchen können. Doch genau das war natürlich der Grund, warum ich mich von ihr hatte trennen müssen . Diese Art von Macht wirkt berauschend und macht gefährlich süchtig. Sie kann einem schnell das Leben zerstören.
    Aber was wäre, wenn ich so etwas wie eine begrenzte Bindung eingehen könnte? Im Malachitzimmer war mir zum ersten Mal seit Monaten der Ha-di -Zauber gelungen. Und auch wenn es schwierig gewesen war, es hatte geklappt.
    Genau, Isis , dachte ich. Ich brauche Folgendes  –
    Nicht nachdenken, Sadie , flüsterte ihre Stimme fast im selben Augenblick zurück, was ein ziemlicher Schock für mich war. Göttliche Magie muss ohne Nachdenken passieren, als würdest du atmen .
    Willst du damit sagen   …? Ich redete nicht weiter. Nicht nachdenken … Na ja, das sollte nicht zu schwierig sein. Ich hielt meinen Zauberstab hoch, eine goldene Hieroglyphe flammte in der Luft auf. Ein Isisknoten von einem Meter Höhe erleuchtete den Vorplatz wie ein Weihnachtsbaumstern.
    Das Tjesu Heru knurrte wütend und starrte aus seinen gelben Augen auf die Hieroglyphe.
    »Gefällt dir wohl nicht, was?«, rief ich. »Das Symbol von Isis, du großes hässliches Mistvieh. Und jetzt lass meinen Bruder los!«
    Es war natürlich nur ein Bluff. Ich bezweifelte, dass das Symbol irgendetwas Nützliches ausrichten konnte. Aber ich hoffte, dass das Schlangentier nicht schlau genug war, um das zu wissen.
    Carter schob sich langsam rückwärts. Er sah sich nach seinem Schwert um, doch es lag zehn Meter entfernt – unerreichbar.
    Ich behielt das Ungeheuer im Blick. Mit dem unteren Ende meines Zauberstabs zog ich im Schnee einen magischen Kreis um mich. Er würde nicht viel Schutz bieten, aber es war besser als nichts.
    »Carter«, rief ich. »Wenn ich ›Los!‹ rufe, dann renn hierher.«
    »Dieses Ding ist zu schnell!«, erwiderte er.
    »Ich versuche, die Hieroglyphe explodieren zu lassen, um es zu blenden.«
    Ich bin noch immer der Meinung, dass der Plan funktioniert hätte, doch ich hatte keine Chance, es zu probieren. Irgendwo links von mir knirschten Stiefel auf dem Eis. Als es das Geräusch hörte, drehte sich das Monster um.
    Ein junger Mann rannte in das Licht der Hieroglyphe. Er trug einen schweren Wollmantel und eine Polizistenmütze, in der Hand hielt er ein Gewehr, obwohl er nicht viel älter sein konnte als ich. Er ertrank förmlich in seiner Uniform. Als er das Ungeheuer bemerkte, bekam er große Augen. Er taumelte zurück und ließ dabei fast seine Waffe fallen.
    Er brüllte mir etwas auf Russisch zu, was vermutlich heißen sollte: »Warum treibt sich hier ein arschloses doppelköpfiges Schlangenmonster herum?«
    Das Ungeheuer zischte uns beide an – mit zwei Köpfen funktionierte das.
    »Das ist ein Monster«, erklärte ich dem Wächter. Ich war mir ziemlich sicher, dass er mich nicht verstand, aber ich versuchte ruhig zu sprechen. »Verhalte dich unauffällig und schieß nicht. Ich versuche, meinen Bruder zu retten.«
    Der Wächter schluckte. Seine großen Ohren waren das Einzige, was die Mütze hielt. Er sah von dem Ungeheuer zu Carter zu dem Isisknoten, der über meinem Kopf leuchtete. Dann tat er etwas Unerwartetes.
    Er sagte ein Wort auf Altägyptisch: »Heqat!« Das war der Befehl, mit dem ich immer meinen Zauberstab herbeirief. Sein Gewehr verwandelte sich in einen zwei Meter langen Eichenstock, in den ein Falkenkopf geschnitzt war.
    Super, dachte ich. Die Wächter sind verkappte Magier.
    Er sprach mich erneut auf Russisch an – irgendeine Warnung. Ich erkannte den Namen Menschikow .
    »Lass mich raten«, sagte ich. »Du willst mich zu deinem Anführer bringen.«
    Das Tjesu Heru bewegte die Kiefer. Es verlor rasch seine Angst vor meinem leuchtenden Isisknoten. Carter hatte noch nicht genug Abstand, um zu entkommen.
    »Hör zu«, erklärte ich dem Wächter, »dein Chef Menschikow ist ein Verräter. Er hat dieses Ding herbeigerufen, um uns umzubringen, damit wir seine Pläne zur Befreiung von Apophis nicht verraten können. Schon mal das Wort Apophis gehört? Böse Schlange. Ganz böse Schlange! So, jetzt hilf mir entweder, dieses Monster umzubringen, oder mach