Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron
abschließen.«
Seth schnippte mit den Fingern, vor ihm tauchte eine rote Lichtkugel auf. Darin erschienen die Hologramme von sechs Männern in Wächteruniformen, die sich in zwei weiße Sportwagen quetschten. Die Scheinwerfer flammten auf. Die Autos machten einen Schlenker über einen Parkplatz und fuhren dann einfach durch eine Steinmauer, als wäre diese aus Rauch.
»Ich schätze, ihr habt ungefähr zwei Minuten.« Seth lächelte, die Lichtkugel verschwand. »Du erinnerst dich bestimmt an Menschikows Schergen, Bes. Bist du sicher, dass du ihnen noch mal begegnen willst?«
Das Gesicht des Zwergengottes verdüsterte sich. Er zerquetschte eine Schachfigur aus weißer Schokolade in der Hand. »Du lügender, intriganter, mordender –«
»Schluss!«, befahl ich.
Carter stöhnte in seiner durch das Gift verursachten Benommenheit. Entweder wurde er schwerer oder ich wurde langsam müde.
»Keine Zeit für Diskussionen«, sagte ich. »Seth, bietest du uns etwa an, die Magier aufzuhalten?«
Er lachte. »Nein, nein. Ich hoffe ja immer noch, dass sie dich umbringen, weißt du? Aber ich wollte euch den Ort verraten, wo die letzte Schriftrolle der Sonnenlitanei versteckt ist. Hinter der seid ihr doch her, oder?«
Ich ging davon aus, dass er wie üblich log – doch falls er es ernst meinte …
Ich sah zu Bes. »Kann es sein, dass er das Versteck kennt?«
Bes grunzte. »Das kann sogar sehr gut sein. Die Priester von Re gaben ihm die Rolle zur sicheren Verwahrung.«
»Warum in aller Welt haben sie so was getan?«
Seth versuchte, ein bescheidenes Gesicht aufzusetzen. »Jetzt komm, Sadie. Ich war Res treu ergebener Stellvertreter. Wärst du an Res Stelle und würdest nicht von irgendeinem alten Magier geweckt werden wollen, hättest du dann nicht auch den Schlüssel zu deinem Aufenthaltsort deinem furchteinflößendsten Diener anvertraut?«
Da war was dran. »Wo ist die Rolle also?«
»Nicht so schnell. Ich verrate dir den Ort nur, wenn du mir meinen geheimen Namen zurückgibst.«
»Träum weiter!«
»Es ist ganz einfach. Sag bloß: ›Ich gebe dir deinen Namen zurück.‹ Du wirst vergessen, wie du ihn richtig aussprechen musst –«
»Und dann habe ich keine Macht mehr über dich! Du wirst mich umbringen!«
»Ich würde dir mein Wort geben, dass ich es nicht tun werde.«
»Klar, davon kann ich mir auch echt was kaufen. Was wäre denn, wenn ich dich mit deinem geheimen Namen zwingen würde, mir den Ort zu verraten?«
Seth zuckte die Achseln. »Wenn du ein paar Tage nach dem richtigen Zauberspruch forschst, kriegst du das vielleicht hin. Dummerweise …« Er hielt die Hand ans Ohr. In der Ferne quietschten Reifen – zwei Autos kamen schnell näher. »… hast du nicht tagelang Zeit.«
Bes fluchte auf Ägyptisch. »Tu es nicht, Mädchen. Man kann ihm nicht über den Weg trauen.«
»Können wir die Schriftrolle ohne ihn finden?«
»Tja … vielleicht. Vielleicht auch nicht. Nein.«
Die Scheinwerfer der beiden Autos wurden auf dem Newski-Prospekt sichtbar, sie waren kaum noch einen Kilometer entfernt. Uns blieb keine Zeit mehr. Ich musste Carter wegschaffen, doch wenn Seth tatsächlich unsere einzige Chance war, die Schriftrolle zu finden, konnte ich ihn nicht einfach gehen lassen.
»In Ordnung, Seth. Aber ich erteile dir einen letzten Befehl.«
Bes seufzte. »Ich kann das nicht mit ansehen. Gib mir deinen Bruder, dann setz ich ihn schon mal in den Wagen.«
Der Zwerg nahm Carter und verstaute ihn auf der Rückbank des Mercedes.
Ich behielt Seth im Blick und überlegte, welches der am wenigsten schreckliche Weg wäre, diesen Handel abzuschließen. Ich konnte ihm nicht einfach so befehlen, meiner Familie nie wieder Schaden zuzufügen. Ein magischer Pakt musste sorgsam formuliert werden, mit eindeutigen Grenzen und einem Ablaufdatum, ansonsten war der ganze Zauberspruch ungültig. » Böser Tag , du wirst der Kane-Familie keinen Schaden mehr zufügen. Du wirst einen Waffenstillstand mit uns einhalten, mindestens bis – bis Re geweckt wurde.«
»Oder bis ihr es versucht und es nicht schafft , ihn aufzuwecken?«, fragte Seth mit Unschuldsmiene.
»Falls das passiert«, sagte ich, »geht die Welt unter. Warum also nicht? Was deinen Namen anbelangt, werde ich tun, was du von mir verlangst. Im Gegenzug wirst du mir den Ort verraten, an dem der letzte Teil der Sonnenlitanei liegt, und zwar ohne Gaunereien und Betrug. Danach machst du den Abflug in die Duat.«
Seth wägte das Angebot ab. Die beiden
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