Die Kane-Chroniken – Der Feuerthron
weißen Sportwagen waren nun nur noch ein paar Straßen entfernt. Bes schlug Carters Tür zu und kam zurückgerannt.
»Der Handel gilt«, stimmte Seth zu. »Du findest die Schriftrolle in Baharija. Bes kennt die Stelle, die ich meine.«
Bes wirkte nicht glücklich. »Dieser Ort ist extrem geschützt. Wir werden das Alexandria-Portal benutzen müssen.«
»Richtig.« Seth grinste. »Wird bestimmt interessant! Wie lange kannst du die Luft anhalten, Sadie Kane?«
»Warum willst du das wissen?«
»Schon gut, vergiss es. Und jetzt schuldest du mir vermutlich meinen geheimen Namen.«
»Ich gebe dir deinen Namen zurück«, sagte ich. Von einem Moment auf den anderen spürte ich, wie mich die Magie verließ. Ich wusste Seths geheimen Namen noch immer: Böser Tag. Aber irgendwie konnte ich mich nicht mehr genau daran erinnern, wie ich ihn davor ausgesprochen hatte oder wie er in einem Zauberspruch funktionierte. Die Erinnerung war ausgelöscht.
Zu meiner Überraschung brachte Seth mich nicht auf der Stelle um. Er lächelte bloß und warf mir Wlad Menschikows Sonnenbrille zu. »Ich hoffe, du überlebst das irgendwie, Sadie Kane. Du bist ziemlich amüsant. Aber falls sie dich umbringen, genieß die Erfahrung!«
»Oh Mann, danke.«
»Und nur weil ich dich so nett finde, hab ich noch eine kostenlose Information für deinen Bruder. Sag ihm, dass Zia Rashids Dorf al-Hamrah Makan hieß.«
»Warum ist das –?«
»Gute Reise!« Seth verschwand in einer Wolke aus blutfarbenem Nebel. Einen Block entfernt bretterten die beiden weißen Sportwagen auf uns zu. Ein Magier reckte den Kopf aus dem Sonnenverdeck des ersten Wagens und deutete mit seinem Zauberstab in unsere Richtung.
»Zeit zu verschwinden«, meinte Bes.
Ich will es mal so sagen: Bes fuhr wie ein Wahnsinniger. Und das meine ich absolut positiv. Spiegelglatte Straßen waren ihm schnurzegal. Ebenso wie Verkehrszeichen, Gehwege oder Kanäle, die er zwei Mal mit einem Satz überquerte, weil er keine Lust hatte, nach einer Brücke zu suchen. Zum Glück war die Stadt in diesen Morgenstunden größtenteils menschenleer, ansonsten hätten wir bestimmt massenhaft Russen umgemäht.
Wir schlängelten uns durch die Innenstadt von Sankt Petersburg, während die beiden weißen Sportwagen immer mehr aufschlossen. Ich versuchte, Carter auf der Rückbank neben mir zu stützen. Seine Augen waren halb offen, die Hornhaut hatte eine absolut schreckliche grüne Färbung. Trotz der Kälte glühte er fieberheiß. Ich schaffte es, ihm den Wintermantel auszuziehen, sein Hemd darunter war schweißnass. Auf seiner Schulter sonderten die beiden punktförmigen Bisswunden … Na ja, das beschreibe ich vielleicht besser nicht.
Ich warf einen Blick zurück. Der Magier, der sich aus dem Verdeck reckte, zielte mit seinem Zauberstab nach uns – keine leichte Aufgabe bei einer rasanten Verfolgungsjagd –, aus der Spitze schoss ein leuchtender weißer Speer, der wie eine Drohne auf uns zusauste.
»Duckt euch!«, brüllte ich und drückte Carter auf die Sitzbank.
Der Speer durchbrach die Rückscheibe und flog geradewegs vorne wieder hinaus. Wäre Bes normal groß gewesen, hätte er ein kostenloses Kopfpiercing verpasst bekommen. So verfehlte ihn das Geschoss jedoch völlig.
»Ich bin ein Zwerg«, knurrte er. »Ich ducke mich nicht!«
Er lenkte den Wagen nach rechts. Hinter uns explodierte ein Schaufenster. Als ich zurückschaute, sah ich, dass sich die ganze Mauer des Geschäfts in einen Haufen lebender Schlangen verwandelte. Unsere Verfolger kamen immer näher.
»Bes, bring uns hier weg!«, schrie ich.
»Versuch ich ja, Mädel. Gleich sind wir bei der Ägyptischen Brücke. Die ursprüngliche Brücke wurde im achtzehnten Jahrhundert gebaut, aber –«
»Das ist mir völlig egal! Fahr einfach!«
Ehrlich, es ist wirklich erstaunlich, wie viel ägyptischer Krempel in Sankt Petersburg herumsteht und wie völlig egal mir das war . Wenn man von bösartigen Magiern verfolgt wird, die Speere nach einem werfen und Schlangenbomben, wird einem schnell klar, was wirklich wichtig ist.
Es genügt wahrscheinlich zu sagen: Ja, es gibt tatsächlich eine Ägyptische Brücke über den Fontanka-Fluss und sie führt in südlicher Richtung aus der Innenstadt von Sankt Petersburg. Warum? Keine Ahnung. Wie gesagt, ist auch egal. Als wir darauf zurasten, erkannte ich auf beiden Seiten Sphingen aus schwarzem Stein – weibliche Sphingen mit goldenen Pharaonenkronen –, aber das Einzige, was mich
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