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Die Kane-Chroniken – Der Schatten der Schlange

Die Kane-Chroniken – Der Schatten der Schlange

Titel: Die Kane-Chroniken – Der Schatten der Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rick Riordan
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bedeutet nicht das Ende für ihn.«
    Ich schlug kraftlos auf seinen Oberkörper ein. »Ich will das nicht hören! Du solltest nicht mal hier sein. Haben die Götter nicht eine einstweilige Verfügung gegen dich erlassen?«
    »Ich sollte nicht in deiner Nähe sein«, pflichtete Anubis bei, »weil ich keine menschliche Gestalt habe.«
    »Und? Hier ist kein Friedhof. Das ist nicht dein Tempel.«
    »Nein«, räumte Anubis ein. Er deutete mit einem Kopfnicken auf Walt. »Schau.«
    Walt beendete seinen Zauberspruch. Er sprach ein einziges Wort: »Hi-nehm.«
    Die Hieroglyphe für Füg zusammen flammte silbern auf dem dunklen Wachs auf.

    Es war derselbe Befehl, den ich in Dallas benutzt hatte, um den Museumsshop aufzuräumen, derselbe Befehl, den Onkel Amos letztes Weihnachten verwendet hatte, um zu demonstrieren, wie man eine zerbrochene Untertasse wieder zusammensetzt. Und mit schrecklicher Gewissheit wusste ich, dass es der letzte Zauberspruch sein würde, den Walt jemals sprach.
    Er sackte in sich zusammen. Ich rannte zu ihm. Ich wiegte seinen Kopf in meinen Armen. Sein Atem ging stoßweise.
    »Hat funktioniert«, murmelte er. »Jetzt … schick den Schatten zu Bes. Du musst –«
    »Walt, bitte«, sagte ich. »Wir können dich in den Ersten Nomos bringen. Vielleicht sind die Heiler dort in der Lage –«
    »Nein, Sadie …« Er drückte mir die Figur in die Hand. »Beeil dich.«
    Ich versuchte mich zu konzentrieren. Es war beinahe unmöglich, aber ich schaffte es, die Worte einer Ächtung in umgekehrter Reihenfolge zu sprechen. Ich kanalisierte Zauberkraft in die Statuette und stellte mir Bes vor, wie er früher war. Ich drängte den Schatten, seinen Herrn zu finden und dessen Seele wiederzuerwecken. Statt Bes aus der Welt auszulöschen, versuchte ich, ihn ins Bild zurückzuzeichnen, dieses Mal mit unlöschbarer Tinte.
    Die Wachsstatue verwandelte sich in Rauch und wehte davon.
    »Hat – hat es funktioniert?«, fragte ich.
    Keine Antwort. Walts Augen waren geschlossen. Er lag vollkommen reglos da.
    »Oh, bitte … nein.« Ich legte die Hand auf seine Stirn, die schnell kälter wurde. »Anubis, unternimm doch irgendwas!«
    Es blieb still. Als ich mich umdrehte, war Anubis verschwunden.
    »Anubis!« Ich schrie so laut, dass mein Schrei von den Felsen in der Ferne widerhallte. Ich bettete Walt, so sanft ich konnte, auf den Boden. Ich stand auf und drehte mich einmal mit geballten Fäusten um die eigene Achse. »Das ist alles?«, brüllte ich in die Leere. »Du nimmst seine Seele und verduftest? Ich hasse dich!«
    Plötzlich schnappte Walt nach Luft und öffnete die Augen.
    Ich schluchzte vor Erleichterung.
    »Walt!« Ich kniete mich neben ihn.
    »Das Tor«, drängte er.
    Ich wusste nicht, was er meinte. Vielleicht hatte er eine Nahtodvision? Seine Stimme klang deutlicher, schmerzfrei, aber noch immer schwach. »Sadie, beeil dich. Du kennst nun den Zauberspruch. Er wird beim … beim Schatten der Schlange funktionieren.«
    »Walt, was ist los?« Ich wischte mir die Tränen vom Gesicht. »Welches Tor?«
    Er machte mit letzter Kraft eine Geste. Ein paar Meter weiter schwebte eine Tür aus Dunkelheit in der Luft. »Die ganze Suche war eine Falle«, sagte er. »Setne … Jetzt durchschaue ich seinen Plan. Dein Bruder braucht deine Hilfe.«
    »Und was ist mit dir? Komm mit mir!«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich bin noch zu schwach. Ich werde alles tun, um in der Duat Verstärkung für euch zusammenzutrommeln – ihr werdet sie brauchen –, aber ich kann mich kaum rühren. Wir sehen uns bei Sonnenaufgang im Ersten Nomos, wenn – wenn du mich nicht hasst.«
    »Dich hassen?« Ich war völlig perplex. »Warum in aller Welt sollte ich dich hassen?«
    Er lächelte traurig – ein Lächeln, das irgendwie nicht zu ihm passte.
    »Sieh«, sagte er.
    Es dauerte einen Augenblick, bis ich begriff, was er meinte. Ein kaltes Gefühl überkam mich. Wie hatte Walt überlebt? Wo war Anubis? Und worin hatte ihre Verschwörung bestanden?
    Neith hatte Walt als Sohn Seths bezeichnet, aber das war er nicht. Seths einziges Kind war Anubis.
    Ich habe versucht, es ihr zu erklären , hatte Walt gesagt.
    Er wurde unter dem Schatten des Todes geboren , hatte Anubis mir gesagt. Deshalb verstehen wir einander.
    Ich wollte es nicht wissen, aber ich senkte den Blick in die Duat. Dort, wo Walt lag, sah ich eine andere Person, es war, als würde ein Bild darüberliegen … Einen jungen Mann, schwach und blass, mit einem goldenen Halsschmuck und

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