Die Kane-Chroniken – Der Schatten der Schlange
Hilfe. Sie wäre so viel nützlicher, wenn sie Pfeile auf Apophis abschießen würde, statt in ihrem Bunker zu hocken und Jacken aus unseren Hosentaschen zu nähen und Schnurknotereien zu fabrizieren.
Mein Kopf ratterte auf Hochtouren. Wie gewinnt man einen Jäger für sich? Ich wusste nicht viel über Jäger, außer über den alten Major McNeil, Gramps’ Freund aus dem Altenheim, der ständig Geschichten erzählte über … Ah!
»Wirklich schade«, platzte ich heraus.
Neith zögerte; darauf hatte ich gehofft.
»Was denn?«, fragte sie.
»Sechs essbare Teile einer Palme.« Ich lachte. »Eigentlich sind es sieben.«
Neith sah mich fragend an. »Das kann nicht sein!«
»Ach ja?« Ich zog die Augenbrauen hoch. »Hast du dich jemals in Covent Garden vom Land ernährt? Bist du je durch die Wildnis von Camden Lock gezogen?«
Neiths Bogen senkte sich ein kleines bisschen. »Diese Orte kenne ich nicht.«
»Hab ich mir gedacht!«, sagte ich triumphierend. »Ach, die ganzen Geschichten, die wir uns hätten erzählen können, Neith. Die Überlebenstricks. Einmal hab ich eine ganze Woche nur altbackene Kekse gegessen und den Saft der Ribena getrunken.«
»Ist das eine Pflanze?«, fragte Neith.
»Sie enthält alle lebenswichtigen Nährstoffe«, sagte ich. »Man muss nur wissen, wo man sie kaufen kann – ich meinte ernten.«
Ich hob mein Zaubermesser und hoffte, sie würde es als theatralische Geste, nicht als Bedrohung auffassen. »Aber einmal, in meinem Bunker in der Charing Cross Station, da habe ich mich an die äußerst gefährlichen Gummibärchen herangepirscht.«
Neith bekam große Augen. »Sind die schrecklich?«
»Schlimm«, versicherte ich. »Oh, für sich genommen sehen sie klein aus, aber sie treten immer in großer Zahl auf. Klebrig, dick machend – ziemlich tödlich. Und da war ich, allein mit nur zwei Pfund und einem U-Bahn-Ticket, und wurde von Gummibärchen bedrängt, als … Ach, ist ja jetzt auch egal. Wenn die Gummibärchen hinter dir her sind … wirst du das schon selbst rausfinden.«
Sie senkte ihren Bogen. »Erzähl’s mir. Ich muss wissen, wie man Jagd auf Gummibärchen macht.«
Ich blickte Walt ernst an. »Wie viele Monate habe ich dich trainiert, Walt?«
»Sieben«, sagte er. »Fast acht.«
»Und hielt ich dich je für würdig, mit mir auf Gummibärchenjagd zu gehen?«
»Äh … nein.«
»Da siehst du’s!« Ich kniete mich hin und fuhr mit dem Zaubermesser über den Wall. »Selbst Walt ist noch nicht für solches Wissen bereit. Ich könnte dir hier ein Bild des gefürchteten Gummibärchens zeichnen, oder sogar – Gott behüte! – ein Bild des verdauungsfördernden Kekses von Jacob’s. Dieses Wissen kann einen unerfahreneren Jäger allerdings umbringen.«
»Ich bin die Göttin der Jagd!« Neith rückte näher und starrte ehrfürchtig auf die leuchtenden Zeichnungen – offenbar begriff sie nicht, dass ich Schutzhieroglyphen auf den Boden malte. »Ich muss es erfahren.«
»Na ja …« Ich blickte auf den Horizont. »Als Erstes musst du begreifen, wie wichtig der richtige Zeitpunkt ist.«
»Ja!«, sagte Neith eifrig. »Erzähl mir was darüber.«
»Zum Beispiel …« Ich tippte auf die Hieroglyphen und aktivierte meinen Zauberspruch. »Es ist Sonnenuntergang. Wir leben noch. Wir haben gewonnen.«
Neiths Gesichtsausdruck wurde hart. »Betrug!«
Sie stürzte auf mich zu, doch die Schutzhieroglyphen flammten auf und drängten die Göttin zurück. Sie hob ihren Bogen und schoss ihre Pfeile ab.
Was als Nächstes passierte, war in vielfacher Hinsicht überraschend. Erstens mussten die Pfeile mit mächtigen Zaubern belegt gewesen sein, denn sie durchbrachen problemlos meine Abwehrmaßnahmen. Zweitens warf sich Walt mit unglaublicher Geschwindigkeit nach vorn. Schneller, als ich losschreien konnte (was ich tat), schnappte er sich die Pfeile aus der Luft. Sie zerfielen zu grauem Staub, der vom Wind davongeweht wurde.
Neith trat zu Tode erschrocken zurück. »Du bist es also. Das ist unfair.«
»Wir haben gewonnen«, sagte Walt. »Halte dich an die Abmachung.«
Sie wechselten einen Blick, den ich nicht so recht deuten konnte – irgendeine Art Willensstärkewettbewerb.
Neith zischte durch die zusammengebissenen Zähne. »Von mir aus. Ihr könnt gehen. Wenn sich Apophis erhebt, werde ich an eurer Seite kämpfen. Aber ich werde nicht vergessen, dass du unbefugt in mein Hoheitsgebiet eingedrungen bist, Sohn des Seth. Und du –«
Sie blitzte mich böse an. »Ich
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