Die Kane-Chroniken – Der Schatten der Schlange
sank. »Du kannst die Vorsehung nicht überlisten, Carter Kane! Ich habe Re verschluckt. Nun steht das Ende der Welt kurz bevor!«
Sadie fiel auf die Knie und schluchzte. Verzweiflung überkam mich, sie war noch schlimmer als die Kälte. Ich spürte, wie Horus’ Kraft versagte, und ich war einfach wieder Carter Kane. Rings um uns, in verschiedenen Schichten der Duat, hörten Götter und Magier auf zu kämpfen, weil sie das Grauen überkam.
Mit katzenhafter Eleganz landete Bastet schwer atmend neben mir. Die Haare standen ihr so wild um den Kopf, dass sie wie ein sandiger Seeigel aussah. Ihr Gymnastikanzug war zerfetzt und voller Löcher. Auf der linken Wange hatte sie einen schlimmen Bluterguss. Ihre Messer dampften und waren vom Gift der Schlange rostzerfressen.
»Nein«, sagte sie entschieden. »Nein, nein, nein. Wie sieht euer Plan aus?«
»Plan?« Ich versuchte, den Sinn ihrer Frage zu verstehen. Zia war verschwunden. Wir hatten versagt. Die uralte Prophezeiung war eingetroffen und ich würde in dem Wissen sterben, dass ich der absolute Oberloser war. Ich blickte zu Sadie, aber sie wirkte immer noch völlig verstört.
»Wach auf, Jungchen!« Bes kam auf mich zugewatschelt und trat mir gegen die Kniescheibe – höher kam er nicht.
»Autsch!«, beschwerte ich mich.
»Du bist jetzt der Anführer«, knurrte er. »Du solltest also einen Plan haben. Ich bin doch nicht ins Leben zurückgekehrt, um schon wieder umgebracht zu werden!«
Apophis zischte. Der Boden riss weiter auf und ließ die Fundamente der Pyramiden beben. Die Luft war so kalt, dass ich meinen Atem sehen konnte.
»Zu spät, ihr armen Kinderchen.« Die roten Augen der Schlange starrten zu mir herunter. »Maat stirbt seit Jahrhunderten. Eure Welt war nur für kurze Zeit eine Insel im Meer des Chaos. Alles, was ihr erbaut habt, ist bedeutungslos. Ich bin eure Vergangenheit und eure Zukunft! Verbeuge dich nun vor mir, Carter Kane, vielleicht verschone ich dann deine Schwester und dich. Ich werde es genießen, Überlebende zu haben, die meinen Triumph bezeugen können. Ist das dem Tod nicht vorzuziehen?«
Meine Glieder fühlten sich schwer an. Irgendwo tief in mir war ich ein verängstigter kleiner Junge, der leben wollte. Ich hatte meine Eltern verloren. Man hatte mich aufgefordert, einen Krieg zu führen, der viele Nummern zu groß für mich war. Warum sollte ich weitermachen, wenn es sowieso hoffnungslos war? Und wenn ich damit Sadie retten konnte …
Doch dann konzentrierte ich mich auf den Hals der Schlange. Das Leuchten des verschluckten Sonnengottes rutschte tiefer und tiefer in Apophis’ Schlund. Zia hatte ihr Leben geopfert, um uns zu schützen.
Keine Angst, hatte sie gesagt. Ich werde Apophis in Schach halten, bis ihr kommt.
Wut ließ mich klarer denken. Apophis versuchte mich aus dem Konzept zu bringen, so wie er Wlad Menschikow, Kwai, Sarah Jacobi und sogar Seth, den Gott des Bösen, verleitet hatte. Apophis war ein Meister darin, Vernunft und Ordnung zu unterhöhlen und alles zu zerstören, was gut und bewundernswert war. Er war egoistisch und er wollte, dass auch ich egoistisch war.
Ich dachte an den weißen Obelisken, der sich aus dem Meer des Chaos erhob. Er hatte Tausende von Jahren dort gestanden und allen Widrigkeiten getrotzt. Er stand für Mut und Zivilisation, dafür, die richtige Wahl zu treffen und nicht einfach die simpelste Lösung zu bevorzugen. Wenn ich heute versagte, würde der Obelisk endgültig einstürzen. Alles, was Menschen seit den ersten Pyramiden in Ägypten gebaut hatten, wäre umsonst gewesen.
»Sadie«, sagte ich, »hast du den Schatten?«
Sie rappelte sich auf, der geschockte Ausdruck auf ihrem Gesicht wandelte sich zu Wut. »Ich dachte schon, du fragst nie.«
Sie zog die Granitfigur, die der Schatten Apophis’ pechschwarz gefärbt hatte, aus ihrer Tasche.
Die Schlange wich zurück und zischte. Ich meinte Angst in ihren Augen zu erkennen.
»Sei nicht albern«, knurrte Apophis. »Dieser lächerliche Zauberspruch wird nicht funktionieren – nicht jetzt, im Moment meines Triumphes! Außerdem seid ihr zu schwach. Ihr würdet das niemals überleben.«
Wie alle wirkungsvollen Drohungen enthielt auch diese einen Funken Wahrheit. Meine magischen Reserven waren nahezu aufgebraucht. Mit Sadies sah es vermutlich nicht besser aus. Selbst mit Hilfe der Götter würden wir uns bei dem Ächtungszauber höchstwahrscheinlich verbrennen.
»Bist du so weit?«, fragte mich Sadie, sie klang trotzig.
»Versucht
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