Die Kane-Chroniken – Der Schatten der Schlange
unter ihrer Skorpionkrone misstrauisch böse Blicke zuwarf. Babi, der Paviangott, kletterte neben mir von einer Säule herunter und fletschte die Zähne. Nechbet, die Geiergöttin, thronte im Bug der Sonnenbarke. Schu, der Windgott, kam als Miniwirbelsturm herbeigeweht, dann nahm er die Gestalt eines Piloten aus dem Zweiten Weltkrieg an, sein Körper bestand komplett aus Staub, Blättern und Papierfetzen.
Es gab noch viele Dutzend andere: den Mondgott Chons in seinem Silberanzug; die Himmelsgöttin Nut, auf deren galaktisch blauer Haut Sterne schimmerten; Hapi, den Hippie im grünen Fischschuppenhemd mit seinem irren Grinsen; eine ernst dreinblickende Frau in Tarnausrüstung, mit umgehängtem Bogen und Theaterschminke im Gesicht und zwei albernen Palmwedeln, die aus ihrem Haar herausstanden – das musste Neith sein.
Ich hatte auf mehr freundlich gesinnte Gesichter gehofft, aber mir war klar, dass Osiris die Unterwelt nicht verlassen konnte. Thot saß immer noch in seiner Pyramide fest. Auch viele andere Götter – vermutlich gerade die, die mir helfen würden – wurden von den Mächten des Chaos belagert. Wir mussten irgendwie so klarkommen.
Ich stellte mich vor die versammelten Götter und hoffte, dass meine Beine nicht allzu schlimm zitterten. Ich fühlte mich immer noch als Carter Kane, aber ich wusste, wenn sie mich ansahen, erblickten sie Horus den Rächer.
Ich schwenkte Krummstab und Geißel. »Dies sind die Insignien des Pharaos, Re höchstpersönlich hat sie mir übergeben. Er hat mich zu eurem Anführer ernannt. Er kämpft in diesem Moment gegen Apophis. Wir müssen uns dem Kampf anschließen. Folgt mir und tut eure Pflicht.«
Selket zischte. »Wir folgen nur den Starken. Bist du stark?«
Meine Reaktion kam blitzschnell. Ich schlug mit der Geißel nach der Göttin und zerkleinerte sie zu einem brennenden Haufen gebackener Skorpione.
Ein paar lebende Viecher krabbelten heraus. Sie gingen auf Abstand und begannen sich neu zu formen, bis die Göttin wieder intakt war und sich hinter ein Kohlebecken mit blauen Flammen kauerte.
Die Geiergöttin Nechbet gackerte: »Er ist stark.«
»Dann kommt«, sagte ich.
Mein Ba kehrte zur Erde zurück. Ich öffnete die Augen.
Über Cheprens Pyramide zogen sich Sturmwolken zusammen. Als sie sich mit einem Donnerknall teilte, stürzten sich die Götter in den Kampf – einige kamen auf Streitwagen, andere in schwebenden Kriegsschiffen, einige auf dem Rücken riesiger Falken. Babi, der Paviangott, landete auf der Großen Pyramide. Er trommelte sich auf die Brust und brüllte.
Ich drehte mich zu Sadie. »Kein schlechter Schlachtruf, oder?«
Wir kletterten die Pyramide herunter, um uns dem Kampf anzuschließen.
Erster Tipp für den Kampf gegen eine Riesenchaosschlange: Lasst es.
Selbst mit einer Schwadron Götter und Magier im Rücken ist es kein aussichtsreicher Kampf. Das wurde mir klar, als wir näher kamen und die Welt auseinanderzubrechen schien. Apophis wand sich nicht nur kreuz und quer durch die Wüste und wickelte sich um die Pyramiden. Er schlängelte sich auch in die Duat hinein und wieder heraus und zersplitterte so die Realität in mehrere Schichten. Der Versuch, ihn zu finden, ähnelte einem Dauerlauf durch ein Gruselkabinett voller Spiegel, jeder Spiegel führte in ein weiteres Gruselkabinett mit weiteren Spiegeln.
Unsere Freunde teilten sich auf. Rings um uns waren Götter und Magier plötzlich allein, weil einige tiefer in die Duat hinabsanken als andere. Wir kämpften zwar gegen einen einzigen Feind, doch jeder von uns kämpfte nur gegen einen Bruchteil von dessen Macht.
Am Fuße der Pyramide wurde Walt von schlangenartigen Windungen umringt. Er versuchte sich herauszukämpfen, indem er die Schlange mit grauem Licht angriff, das ihre Schuppen in Asche verwandelte; doch die Schlange bildete einfach neue und wand sich immer fester und fester um Walt. Ein paar Hundert Meter weiter hatte Julian einen vollständigen Horus-Avatar herbeigerufen, einen riesigen grünen falkenköpfigen Krieger mit einem Chepesch in jeder Hand. Er hieb auf den Schwanz der Schlange ein – oder zumindest auf eine Version davon –, während der Schwanz ausholte und ihn aufzuspießen versuchte. Tiefer in der Duat stand die Göttin Selket fast auf der gleichen Stelle. Sie hatte sich in einen riesigen schwarzen Skorpion verwandelt und griff ein anderes Bild des Schlangenschwanzes an, den sie in einem bizarren Schwertkampf mit ihrem Stachel abwehrte. Selbst Amos hatte
Weitere Kostenlose Bücher