Die Kane-Chroniken – Der Schatten der Schlange
es«, warnte Apophis, »Und ich werde eure Seelen immer und immer wieder aus dem Chaos holen, nur so weit, dass ich euch langsam umbringen kann. Dasselbe werde ich mit eurem Vater und eurer Mutter tun. Ihr werdet für alle Ewigkeit leiden.«
Ich hatte das Gefühl, eine von Res Feuerkugeln verschluckt zu haben. Meine Hände umklammerten trotz des pochenden Schmerzes Krummstab und Geißel. Horus’ Kraft strömte wieder in mich – und wieder einmal waren wir in völligem Einklang. Ich war sein Auge. Ich war der Rächer.
»Ein Fehler«, erklärte ich der Schlange. »Du hättest meiner Familie niemals drohen sollen.«
Ich schleuderte Krummstab und Geißel nach Apophis’ Kopf, sie entflammten in einer Feuersäule, die an eine Atombombenexplosion erinnerte.
Die Schlange heulte vor Schmerz. Feuer und Rauch umhüllten sie, aber vermutlich hatte ich nur ein paar Minuten gewonnen.
»Sadie«, fragte ich, »bist du bereit?«
Sie nickte und streckte mir die Figur entgegen. Gemeinsam hielten wir sie fest und machten uns für den Zauberspruch bereit, der vielleicht der letzte unseres Lebens sein würde. Wir brauchten keine Schriftrolle. Wir hatten diese Ächtung monatelang geübt. Wir wussten die Worte beide auswendig. Die Frage war nur, ob der Schatten etwas bewirken würde. Nun gab es kein Zurück mehr. Und unabhängig davon, ob es uns gelang oder nicht, würden wir vielleicht dabei verbrennen.
»Bes und Bastet«, sagte ich. »Könnt ihr uns Apophis vom Leib halten?«
Bastet lächelte und hob die Messer. »Ob ich meine Kätzchen beschütze? Darum brauchst du mich doch nicht zu bitten.« Sie warf Bes einen Blick zu. »Und falls wir sterben sollten, tut es mir leid, dass ich so oft mit deinen Gefühlen gespielt habe. Du hast Besseres verdient.«
Bes schnaubte. »Schon gut. Ich bin endlich zur Vernunft gekommen und habe die Richtige gefunden. Außerdem bist du eine Katze. Es liegt in deiner Natur, dich für das Zentrum des Universums zu halten.«
Sie starrte ihn an, ohne die Miene zu verziehen. »Aber ich bin das Zentrum des Universums.«
Bes lachte. »Viel Glück, Kinder. Zeit für den Hässlichen.«
»TOD!«, brüllte Apophis und schlüpfte mit brennenden Augen aus der Feuersäule.
Bastet und Bes – die zwei besten Freunde und Beschützer, die wir je hatten – stürzten sich auf ihn.
Sadie und ich begannen mit dem Zauberspruch.
20.
Ich nehme Platz (auf einem Sessel)
Wie ich schon sagte, Zauber sind nicht meine Stärke.
Einen Zauberspruch richtig hinzubekommen erfordert uneingeschränkte Konzentration, korrekte Aussprache und den absolut richtigen Zeitpunkt. Ansonsten läuft man Gefahr, sich selbst und jeden im Umkreis von drei Metern umzubringen oder sich in irgendein Beuteltier zu verwandeln.
Einen Zauber gemeinsam mit jemand anderem zu sprechen – das ist doppelt so schwer.
Klar, Sadie und ich hatten den Wortlaut gelernt, aber das heißt ja nicht, dass wir die Ächtung tatsächlich vorab hätten ausprobieren können. Bei einem solchen Zauber hat man nur einen einzigen Versuch.
Als wir loslegten, war mir bewusst, dass Bastet und Bes gegen die Schlange kämpften und unsere anderen Verbündeten in verschiedenen Schichten der Duat in Gefechte verwickelt waren. Es wurde immer kälter. Erdspalten taten sich auf. Rote Blitze breiteten sich wie Risse in einer schwarzen Kuppel über den Himmel aus.
Ich versuchte, das Zähneklappern zu unterdrücken, und konzentrierte mich auf die Steinfigur von Apophis. Als wir unseren Sprechgesang anstimmten, begann die Statue zu qualmen.
Ich schob die Gedanken an das letzte Mal beiseite, als ich diese Beschwörung gehört hatte. Michel Desjardins war dabei gestorben und er hatte es nur mit einer Teilerscheinung der Schlange zu tun gehabt, nicht mit diesem Apophis auf der Höhe seiner Macht und nach dem Triumph, Re verschlungen zu haben.
Konzentriere dich , befahl mir Horus.
Leichter gesagt als getan. Der Lärm, die Kälte und die Explosionen rings um uns machten es fast unmöglich – es war, als wollte man von hundert rückwärtszählen, während einem Leute willkürlich Zahlen ins Ohr schreien.
Bastet flog über unseren Kopf und landete auf einem Steinquader. Bes brüllte vor Wut. Er schlug mit seinem Knüppel so hart gegen den Hals der Schlange, dass Apophis die Augen im Kopf wackelten.
Apophis schnappte nach Bes, der einen Giftzahn packte und sich mit aller Kraft daran festhielt, die Schlange hob den Kopf und schüttelte das Maul, um den Zwergengott
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