Die Kane-Chroniken – Der Schatten der Schlange
verdrehte die Augen und zog mich weiter.
Klein Shelby und die anderen Knirpse kamen grinsend und atemlos auf uns zugerannt. Sie hatten sich an einem herrenlosen Stand bedient und sahen mit ihren Amuletten aus, als kämen sie gerade von einem ägyptischen Karnevalsumzug zurück.
»Ich hab eine Schlange umgebracht!«, erklärte uns Shelby. »Eine große Schlange!«
»Ehrlich?«, fragte ich. »Ganz allein?«
»Ja!«, versicherte Shelby. »Töten, töten, töten!« Sie stampfte mit den Füßen auf, bis ihre Schuhe Funken sprühten. Dann rannte sie davon und jagte ihre Freunde.
»Dieses Mädchen hat Zukunft«, sagte Sadie. »Erinnert mich an mich, als ich jung war.«
Ich schauderte. Was für eine schreckliche Vorstellung.
In den Tunneln ringsum ertönten Gongs und riefen alle in den Gang der Zeitalter. Als wir dort ankamen, war der Gang völlig überfüllt mit Magiern – einige von ihnen in Gewändern, andere in modernen Kleidern, ein paar in Schlafanzügen, als hätten sie sich direkt aus dem Bett hierherteleportiert. Links und rechts des Teppichs schimmerten wie früher holografische Vorhänge aus Licht zwischen den Säulen.
Felix kam freudestrahlend auf uns zugerannt, ihm folgte eine Herde Pinguine. (Herde? Schwarm? Horde? Ach, ist ja auch egal.)
»Schaut mal!«, sagte er aufgedreht. »Das hab ich während der Schlacht gelernt!«
Er sprach einen Befehl. Zuerst dachte ich, er hätte Schisch Kebab gesagt, doch er erklärte mir später, dass es »Se-kebeb!« – Mach kalt gewesen war.
Auf dem Boden erschienen Hieroglyphen in frostigem Weiß:
Die Kälte breitete sich aus, bis eine ungefähr sieben Quadratmeter große Fläche des Bodens mit dickem weißem Eis überzogen war, über das die Pinguine flügelschlagend watschelten. Als ein vom Pech verfolgter Magier einen Schritt zurücktrat, rutschte er so unglücklich aus, dass sein Zauberstab im hohen Bogen durch die Luft flog.
Felix ballte die Faust. »Ja! Ich habe meinen Weg gefunden. Ich bin dazu ausersehen, dem Eisgott zu folgen!«
Ich kratzte mich am Kopf. »Es gibt einen Eisgott? Ägypten ist eine Wüste. Wer ist der Eisgott?«
»Was weiß ich!« Felix strahlte. Er schlidderte über das Eis und rannte mit seinen Pinguinen davon.
Wir liefen den Gang hinunter. Magier tauschten Geschichten aus, gingen von einem Grüppchen zum anderen und erkundigten sich nach alten Freunden. Hieroglyphen schwebten durch die Luft, heller und massiver, als ich sie je gesehen hatte, sie sahen aus wie eine bunt gemischte Buchstabensuppe.
Schließlich bemerkte die Menge Sadie und mich. Schweigen breitete sich im Raum aus. Alle Blicke wandten sich zu uns. Die Magier traten zur Seite und machten den Weg zum Thron frei.
Die meisten lächelten, als wir an ihnen vorübergingen. Ein paar bedankten sich flüsternd oder gratulierten uns. Selbst die ehemaligen Rebellen schienen ehrlich erfreut, uns zu sehen. Aber ich registrierte auch ein paar wütende Blicke. Obwohl wir Apophis besiegt hatten, würden ein paar unserer Magierkameraden immer an uns zweifeln. Manche würden nie aufhören, uns zu hassen. Wir brauchten immer noch die Rückendeckung der Familie Kane.
Sadie suchte unruhig die Menge ab. Mir wurde klar, dass sie nach Walt Ausschau hielt. Ich war so mit Zia beschäftigt gewesen, dass ich überhaupt nicht daran gedacht hatte, welche Sorgen sich Sadie machen musste. Walt war nach dem Kampf zusammen mit den anderen Göttern verschwunden. Auch jetzt schien er nicht anwesend zu sein.
»Ich bin sicher, ihm geht’s gut«, sagte ich zu ihr.
»Psst.« Sadie lächelte mich an, aber ihre Augen sagten: Wenn du mich vor all diesen Leuten bloßstellst, erwürge ich dich.
Amos erwartete uns an den Stufen, die zum Thron hinaufführten. Er hatte sich umgezogen und trug nun einen karmesinroten Anzug, der erstaunlich gut zu seinem Leopardenumhang passte. In seine Haare waren Granate geflochten und seine Brille hatte rot getönte Gläser. Die Farbe des Chaos? Ich hatte das Gefühl, dass er es mit seiner Verbindung zu Seth übertrieb – von der mittlerweile sowieso garantiert alle anderen Magier gehört hatten.
Zum ersten Mal in der Geschichte hatte unser Oberster Vorlesepriester den Gott des Bösen, der Kraft und des Chaos auf der Kurzwahltaste. Vielleicht war das der Grund, wieso man ihm weniger traute, aber Magier waren wie Götter – sie respektierten Stärke. Ich bezweifelte, dass Amos noch Schwierigkeiten haben würde, seine Herrschaft durchzusetzen.
Er lächelte, als wir auf
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