Die Kane-Chroniken – Der Schatten der Schlange
Kätzchen aufpassen«, versprach sie. »Ähm, ich wollte sagen, auf die anderen Initianden. Seid vorsichtig, ihr zwei. Thot ist mir relativ gleichgültig, aber ich möchte nicht, dass ihr in seine Probleme hineingezogen werdet.«
»Was für Probleme denn?«, fragte ich.
»Das werdet ihr schon noch sehen. Kommt einfach zu mir zurück. Diese ganze Aufpasserei bringt meinen Nickerchenstundenplan durcheinander!«
Sie scheuchte uns zu Freaks Stall und ging, etwas über Katzenminze vor sich hinbrabbelnd, wieder nach unten.
Wir befestigten das Boot. Freak krächzte und ließ die Flügel surren, weil er losfliegen wollte. Er schien sich gut erholt zu haben. Außerdem wusste er, dass eine Reise noch mehr Truthähne bedeutete.
Kurz darauf flogen wir über den East River.
Unsere Reise durch die Duat kam mir holpriger vor als sonst, ähnlich wie bei Turbulenzen im Flugzeug, nur dass unser Weg noch von gespenstischem Wehklagen und dichtem Nebel begleitet wurde. Ich war froh, dass ich nicht viel zu Abend gegessen hatte. Mein Magen schlug Saltos.
Als Freak uns aus der Duat zog, schwankte das Boot. Unter uns erstreckte sich eine nächtliche Landschaft mit den Lichtern von Memphis, Tennessee, am Ufer des Mississippi.
Am Fluss erhob sich eine gläserne schwarze Pyramide – eine verlassene Sportarena, die Thot zu seinem Zuhause erklärt hatte. Mehrfarbiges Licht explodierte in der Luft und wurde von der Pyramide reflektiert. Zuerst dachte ich, Thot veranstalte eine Feuerwerksausstellung. Dann erst wurde mir klar, dass die Pyramide angegriffen wurde.
An den Seitenwänden kletterte eine schaurige Ansammlung Dämonen hoch – menschenähnliche Gestalten mit Hühnerkrallen oder Klauen oder Insektenbeinen. Einige hatten ein Fell. Einige Schuppen oder Panzer wie Schildkröten. Statt Köpfen sprossen vielen Waffen oder Werkzeuge aus dem Hals – Hämmer, Schwerter, Äxte, Kettensägen, sogar ein paar Schraubenzieher.
Mindestens hundert Dämonen kletterten auf die Spitze zu und bohrten ihre Krallen in die Fugen zwischen den Glasplatten. Einige versuchten hineinzukommen, indem sie das Glas zertrümmerten, doch bei jedem Versuch flackerte die Pyramide blau auf und wehrte ihre Angriffe ab. Geflügelte Dämonen schossen durch die Luft und stürzten sich kreischend auf die kleine Gruppe Verteidiger.
Auf der Pyramidenspitze stand Thot. Mit seinem weißen Kittel, Jeans und T-Shirt, schlecht rasiert und mit wilder Einsteinmähne sah er wie ein ungepflegter Laborassistent aus – was nicht übermäßig furchterregend klingt, aber ihr solltet ihn mal im Kampf sehen. Er schleuderte leuchtende Hieroglyphen wie Granaten und verursachte rings um sich schimmernde Explosionen. Seine Assistenten, eine Truppe aus Pavianen und langschnäbeligen Vögeln – Ibissen –, hielten in der Zwischenzeit den Feind auf Trab. Die Paviane sorgten mit Basketbällen dafür, dass die Dämonen die Pyramide herunterpurzelten. Die Ibisse flitzten zwischen die Beine der Ungeheuer und schlugen ihnen die Schnäbel in die empfindlichsten Stellen.
Während wir näher heranflogen, blickte ich tiefer in die Duat. Dort wirkte die Szenerie noch furchterregender. Die Dämonen waren durch rote Energiespiralen miteinander verbunden, die eine gewaltige durchscheinende Schlange bildeten. Das Monster wand sich um die ganze Pyramide. Auf der Spitze leuchtete Thot in seiner antiken Gestalt – ein gewaltiger Mann in weißem Schurz mit dem Kopf eines Ibis, der seinen Feinden Energieblitze entgegenschleuderte.
Walt stieß einen Pfiff aus. »Wie können die Sterblichen eine solche Schlacht nicht bemerken?«
Mir fielen ein paar der letzten Katastrophennachrichten ein. Angeblich hatten heftige Wirbelwinde entlang des Mississippi Sturmfluten verursacht, auch hier in Memphis. Hunderte Menschen waren obdachlos. Magier konnten vielleicht sehen, was hier wirklich vor sich ging, doch jeder Normalsterbliche, der noch in der Stadt war, hielt es schlicht für ein heftiges Gewitter.
»Ich werde Thot helfen«, sagte ich. »Du bleibst im Boot.«
»Nein«, sagte Walt. »Bastet sagte, dass ich nur im Notfall zaubern soll. Das hier ist einer.«
Ich wusste, dass Sadie mich umbringen würde, wenn Walt etwas passierte. Andererseits machte Walts Tonfall klar, dass er nicht nachgeben würde. Wenn er will, kann er fast so stur sein wie meine Schwester.
»Wie du meinst«, sagte ich. »Halt dich fest.«
Vor einem Jahr hätte ich mich bei der Aussicht auf einen solchen Kampf zu einer Kugel
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