Die Kane-Chroniken – Der Schatten der Schlange
Hände. »Neith, das ist toll, aber Apophis bricht morgen aus der Duat aus. Er wird die Sonne verschlucken, die Welt in Dunkelheit tauchen und dafür sorgen, dass die gesamte Erde wieder im Meer des Chaos versinkt.«
»Ich werde in meinem Bunker in Sicherheit sein«, beharrte Neith. »Wenn ihr beweisen könnt, dass ihr Freund und nicht Feind seid, helfe ich euch vielleicht bei der Sache mit Bes. Dann dürft ihr zu mir in den Bunker kommen. Ich werde euch beibringen, wie man überlebt. Wir essen meine Notvorräte und weben neue Kleider aus den Taschen unserer Feinde!«
Walt und ich wechselten einen Blick. Die Göttin hatte sie nicht mehr alle. Leider waren wir auf ihre Hilfe angewiesen.
»Du willst uns also jagen«, sagte ich. »Und wir sollen überleben –«
»Bis Sonnenuntergang«, erklärte mir. »Entkommt ihr mir, dürft ihr in meinem Bunker wohnen.«
»Ich möchte dir ein Gegenangebot machen«, sagte ich schnell. »Kein Bunker. Falls wir gewinnen, hilfst du uns, Bes’ Schatten zu finden, und du wirst auch an unserer Seite gegen Apophis kämpfen. Wenn du wirklich eine Kriegsgöttin und Jägerin und was weiß ich noch bist, dann musst du doch Spaß an einer zünftigen Schlacht haben.«
Neith grinste. »Abgemacht! Ich gebe euch sogar fünf Minuten Vorsprung. Aber ich muss euch warnen: Ich verliere nie. Wenn ich euch töte, nehme ich mir eure Hosentaschen!«
»Du bist eine harte Verhandlungspartnerin«, sagte ich. »Aber von mir aus.«
Walt stieß mich mit dem Ellenbogen an. »Ähm, Sadie –«
Ich warf ihm einen warnenden Blick zu. Meiner Meinung nach gab es keine Möglichkeit, uns vor dieser Jagd zu drücken, aber ich hatte eine Idee, die uns vielleicht das Leben retten würde.
»Es geht los!«, schrie Neith. »Mein ganzes Reich steht euch offen, also mehr oder weniger das ganze Delta. Es ändert sowieso nichts. Ich werde euch aufspüren.«
Walt sagte: »Aber –«
»Noch vier Minuten«, sagte Neith.
Wir taten das einzig Vernünftige. Wir machten auf dem Absatz kehrt und rannten los.
»Was ist Makramee?«, brüllte ich, während wir durch die Binsen rasten.
»Eine Art Weberei«, sagte Walt. »Wie kommst du jetzt darauf?«
»Weiß nicht«, gab ich zu. »Hab ich bloß noch nie gehört –«
Die Welt stand plötzlich auf dem Kopf – oder genauer gesagt: ich. Ich hing in einem kratzigen Rankennest und streckte die Füße in die Luft.
»Da hast du dein Makramee«, sagte Walt.
»Bezaubernd. Hol mich raus!«
Er zog ein Messer aus seinem Rucksack – schlaues Kerlchen – und befreite mich, doch vermutlich hatten wir einen Großteil unseres Vorsprungs eingebüßt.
Die Sonne stand schon tiefer am Horizont, aber wie lange würden wir noch durchhalten müssen – eine halbe Stunde? Eine Stunde?
Walt kramte in seinem Rucksack herum und besah sich kurz das weiße Wachskrokodil. »Was hältst du von Philipp?«
»Nein«, sagte ich. »Wir können Neith nicht frontal angreifen. Wir müssen ihr entwischen. Wir können uns aufteilen –«
»Tiger. Boot. Sphinx. Kamele. Keine Unsichtbarkeit«, murmelte Walt, als er seine Amulette durchging. »Warum hab ich bloß kein Amulett für Unsichtbarkeit?«
Mich schauderte. Als ich das letzte Mal Unsichtbarkeit ausprobiert hatte, war es nicht besonders gut gelaufen. »Walt, sie ist eine Jagdgöttin. Selbst wenn du eines hättest, könnten wir sie vermutlich nicht mit irgendeinem Verdeckungszauber überlisten.«
»Was dann?«, fragte er.
Ich legte meinen Finger auf Walts Brust und tippte auf das Amulett, das er noch nicht erwähnt hatte – eine Halskette, die ein Zwilling von meiner war.
»Die Schen -Amulette?« Er sah mich fragend an. »Aber wie sollen die weiterhelfen?«
»Wir teilen uns auf und gewinnen Zeit«, sagte ich. »Wir können uns doch durch die Amulette in Gedanken miteinander verständigen, oder?«
»Na ja … ja.«
»Und sie können uns zum anderen teleportieren, richtig?«
Walt runzelte die Stirn. »Ich – ich habe sie dafür geschaffen, aber –«
»Wenn wir uns aufteilen«, sagte ich, »muss Neith sich entscheiden, wen sie verfolgt. Wir bewegen uns so weit wie möglich auseinander. Wenn sie mich als Erste findet, teleportierst du mich mit dem Amulett außer Gefahr. Oder umgekehrt. Danach teilen wir uns wieder und wiederholen das Ganze.«
»Das ist genial«, gab Walt zu. »Falls die Amulette schnell genug reagieren. Und falls wir unsere Gedankenverbindung aufrechterhalten. Und falls Neith nicht einen von uns umbringt, bevor er
Weitere Kostenlose Bücher