Die Kanonen von Dambanor II
der Spitze der gespaltenen Zunge sagten Bedros innerhalb eines Sekundenbruchteils, was los war – noch ehe seine Augen das Glimmen der Lunte registrierten.
Die Piraten waren häufig viel schlechter bewaffnet als die lizensierten Matrosen der Seekönige. So wurden neben modernen Steinschlosswaffen, die zumeist als Beutestücke in die Hände der Plünderer gefallen waren, auch Luntenschlosswaffen, Harkebusen und sogar Pfeil und Bogen benutzt.
Die Lunte glomm etwa zwei Minuten lang. In dieser Zeit musste geschossen werden. Der Pirat hob die Waffe und feuerte. Aber die Kugel dieser nicht sehr zielsicheren Waffe ging selbst auf die kurze Distanz daneben.
Sie zischte dicht an Bedros' Kopf vorbei und schlug durch die Holzwand.
Im nächsten Moment hob der Kapitän eine seiner Waffen und feuerte ebenfalls.
Das Geschoss traf den Piraten in die Schulter und riss ihn ein Stück zurück. Er taumelte. Der Treffer in die Schulter war zwar nicht unmittelbar lebensbedrohend – aber dennoch ein Todesurteil.
Fast jede Schussverletzung zog eine Infektion nach sich, da die Kugeln eine so geringe Geschwindigkeit aufwiesen, dass sie den Körper nicht durchschlugen, sondern stecken blieben. Selbst ein Schuss in Arme oder Beine endete häufig tödlich, wenn auch erst nach Tagen.
So lange wollte Kapitän Bedros jedoch nicht warten. Er warf die leer geschossene Pistole zur Seite, stürzte zu dem Piraten und holte zu einem Stich mit dem Degen aus.
Der Pirat versuchte vergeblich, den Stich mit einem Säbelhieb abzuwehren. Die Degenspitze drang in seinen Körper ein.
Ein röchelnder Laut drang dem sterbenden Piraten über die Lippen, während seine Arme und Beine krampfhaft zuckten, ehe sie sich schließlich entspannten. Der Zackenkamm verlor innerhalb von Sekunden die Farbe und wurde fast weiß.
Ein sicheres Zeichen für den Eintritt des Todes.
Bedros riss die Degenspitze aus dem Körper seines Gegners. Gelbliches, zähflüssiges Blut tropfte von der Klinge auf den Boden.
Bedros stieg über den Körper des toten Piraten, lief durch die sich anschließende Offiziersmesse und stieg wenig später an Deck.
Dort war der Kampf bereits in vollem Gange. Schüsse peitschten durch die Luft, und der Stahl von gekreuzten Klingen klirrte aufeinander.
Hin und wieder sank jemand getroffen auf die Planken. Der penetrante Geruch von Blut hing in der Luft. Ein Gestank, der zweifellos Gruppen aasfressender Domboy-Vögel anlocken würde. Schon waren aus der Ferne die ersten krächzenden Laute dieser geflügelten Ungetüme zu hören, deren Spannweite fast drei Körperlängen eines durchschnittlichen Gheroor maß.
Die Schädelklippen waren ein beliebter Brutplatz dieser Ungeheuer, die sich aus den luftigen Höhen im Gleitflug in die Tiefe stürzen konnten.
Inzwischen eilten immer mehr Besatzungsmitglieder an Deck. So schnell es ging, hatten sie sich in einen kampffähigen Zustand versetzt. Der Zweite Offizier war – wie es auf den Schiffen der Flotte üblich war – mit einem Eimer voll heißem Wasser durch die Quartiere seiner Matrosen gegangen. Auf Kriegsschiffen musste nach den Vorschriften der seeköniglichen Admiralität stets heißes Wasser für diesen Zweck bereitgehalten werden, wenn sich die Flotte im Alarm- oder Kriegszustand befand. Für Handelschiffe war das zwar keine Vorschrift, aber viele Kapitäne verfuhren auf dieselbe Weise. Zumindest in jenen Gewässern, in denen sie ständig der Gefahr von Überfällen ausgesetzt waren wie beispielsweise in der Umgebung des Kaps der Schädel.
Musketen, Pistolen und Säbel wurden an die Mannschaftsmitglieder ausgegeben. Vom Koch bis zum navigierenden Sterndeuter waren bald alle auf den Beinen und kämpften mit dem Mut der Verzweiflung.
Denn in dem Fall, dass die Piraten die Oberhand behielten, drohte den meisten von ihnen ein Schicksal, das schlimmer war als der Tod. Die Betuchteren unter der Besatzung konnten darauf hoffen, gegen ein Lösegeld irgendwann nach Soroba zurückkehren zu können. Aber das galt nur für jemanden, dessen Ei in der Sandmulde einer reichen Familie gelegen hatte und der dies den Piraten auch plausibel machen konnte.
Die anderen mussten damit rechnen, entweder gleich umgebracht und den Domboy-Vögeln zum Fraß vorgeworfen zu werden – oder ein Ende als Sklave in den Salzminen von Airesh zu finden.
Zischende, röchelnde Todesschreie mischten sich in den Kampflärm.
Die Schüsse wurden weniger zahlreich, was daran lag, dass die Kombattanten kaum Zeit fanden, ihre
Weitere Kostenlose Bücher